Stimmungsschwankungen bekämpfen: Schluss mit dem Gefühlschaos

Stimmungsschwankungen

Was wirklich hinter unseren Stimmungsschwankungen steckt – und wie Sie negative Emotionen ganz schnell in den Griff bekommen.

 Stimmungsschwankungen: Von Gefühlen überrollt

Heute kann ich darüber lachen.

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Hin- und hergerissen Foto: Thinkstock
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Damals? Ganz im Gegenteil! Ich erinnere mich noch genau, wie ich in einem Laden in Frankfurt eine Jeans anprobierte – nur so zum Spaß. Denn der Preis von über 200 Euro schien mir als Studentin absurd teuer. Doch

Mein Freund überredete mich, zumindest eine Nacht darüber zu schlafen.

Mürrisch willigte ich ein und stand am nächsten Tag im Shop, um sie zu kaufen. Zu spät, genau dieses Modell war weg – und in ganz Deutschland nicht mehr zu bekommen. In diesem Moment wurde mein Körper von einem Gefühl durchflutet, das wir als Wut bezeichnen. Zu Hause schrie ich sie heraus, indem ich meinen Freund beschimpfte. Und jede seiner Bemerkungen machte es noch schlimmer. Als er es wagte, mir ein „Jetzt steigere dich mal nicht so rein, ist doch nur eine Hose“ entgegenzusetzen, machte mich das so sauer, dass ich am liebsten ausgeholt hätte.

Stimmungsschwankungen: Tagelange Wut

Noch tagelang war ich wütend – und überrascht von mir selbst. So aggressiv kannte ich mich nicht. Und ich fragte mich: Woher kam dieses intensive Gefühl nur so plötzlich? Der italienische Hirnforscher Giovanni Frazzetto hat sich im Detail mit unseren Gefühlsregungen auseinander­gesetzt. Gerade veröffentlichte er das Buch „Der Gefühlscode“, in dem er aus wissenschaftlicher und psychologischer Sicht unsere Emotionen entschlüsselt – darunter auch die Wut. Auffällig ist, dass wir dieses extrem negative Gefühl relativ lange zügeln können, bis es plötzlich impulsiv aus uns herausbricht.

Die Venen weiten sich, vor allem an der Stirn und am Hals. Die Hände werden stärker durchblutet. Zudem verändert sich die Stimme: Wir werden laut, manchmal schrill. Das alles versetzt uns in die Lage, sofort zu handeln. „Wut ist eine Strategie, die wir entwickelt haben, um uns gegen Angriffe zu verteidigen. Wir brauchen diese Emotion, um auf unsere Rechte hinzuweisen“, erklärt Frazzetto. Letzteres trifft wohl auch auf den nicht geglückten Jeanskauf zu. Durch meine Reaktion wollte ich meinem Freund klarmachen, dass ich selbst am besten weiß, was mir guttut. Und dass er es bloß nicht wagen soll, mich noch einweiteres Mal zu beeinflussen.

Stimmungsschwankungen: Die Suche nach dem Glück

Viele Menschen wünschen sich, negative Emotionen wie Wut, Trauer, Angst oder Scham vollständig abstellen zu können. Doch auch diese Stimmungen sind wichtig – solange sie nicht überhandnehmen. „Es gibt keine guten und schlechten Gefühle“, so Hirnforscher Frazzetto. Wut hilft uns, wie beschrieben, in einer Angriffssituation. Angst lässt uns Risiken vermeiden.

Und Trauer unterstützt uns dabei, Verluste zu verarbeiten. Zudem sind Emotionen Kommunikationsmittel, mit denen wir signalisieren, was in uns vorgeht.Über unseren Gesichtsausdruck kehren wir unser Innerstes nach außen. Das genaue Gegenteil der Wut ist beispielsweise die Schuld. Wir fühlen uns schuldig, wenn wir jemanden verletzt haben.

Schuldgefühle führen dazu, dass wir den Schaden, den wir angerichtet haben, wieder gutmachen wollen. Also signalisieren wir, dass wir bereit sind, die Konsequenzen hinzunehmen – etwa mit einem gesenkten Kopf. Wenn wir dagegen Freude empfinden, drücken wir das mit einem Lächeln aus. Dabei ziehen sich die Muskeln zwischen Wangenknochen und Mundwinkeln sowie um unsere Augen herum zusammen. „Lachen ist ein Gefühlsausdruck, mit dem wir anderen zustimmen, um uns mit ihnen zu verbinden“, so Frazzetto.

Stimmungsschwankungen: Gefühle einschätzen lernen

Nur weil wir über Emotionen kommunizieren, heißt das aber noch lange nicht, dass alle Menschen diese Gefühlsregungen erkennen und lesen können. Unsere sogenannte emotionale Intelligenz gibt Aufschluss darüber, wie weit wir in der Lage sind, Gefühle bei uns und anderen richtig einzuschätzen und zu beeinflussen. Wer seinen persönlichen emotionalen Quotienten, den EQ, messen möchte, kann diverse Tests im Internet machen (etwa unter www.psychomeda.de/online-tests).

Wissenschaftler raten, Romane zu lesen, bei denen man sich in Fremde hineinversetzen muss, um die eigene emotionale Intelligenz zu verbessern. Oder, noch besser: sich einer Theatergruppe anzuschließen. Doch zurück zu den Emotionen selbst. Was passiert eigentlich, wenn sich das Gefühl so intensiviert, dass es nicht bei verbalen Ausbrüchen bleibt?

Stimmungsschwankungen: Impulsive Wutanfälle

Als mir meine Traumhose durch die Lappen ging, konnte ich mir zwar noch mit Worten Luft machen, doch nicht selten entlädt sich Wut in Gewalttaten. Um zu verstehen, warum das bei manchen Menschen leichter passiert als bei anderen, ist ein Blick ins Gehirn nötig: Für Emotionen ist das sogenannte limbische System zuständig.

Da Fühlen und Denken miteinander verknüpft sind, ist der rationale Teil des Gehirns, der präfron­tale Cortex, mit den limbischen Regionen verbunden. Dass sich mein Wutanfall nur auf Worte beschränkte, habe ich somit der Kontrollfunktion des präfrontalen Cortex zu verdanken. Eine Untersuchung an Straftätern, die impulsive Morde begangen hatten, zeigte: Ist die Funktionsfähigkeit dieses Bereichs herabgesetzt, steigt automatisch auch das Aggressionspotenzial.

Stimmungsschwankungen: Wie komme ich wieder runter?

Klingt, als sei es erstrebenswert, diesen präfrontalen Cortex zu stärken. Tatsächlich beschäftigt sich die Wissenschaft schon länger damit, negative Emotionen zu kontrollieren. Nach dem Wunsch der Forscher soll irgendwann sogar so etwas wie ein „präfrontales Training“ möglich sein. Bis es so weit ist, empfiehlt Frazzetto, Wut konstruktiv einzusetzen.

Also lieber öfter deutlich protestieren und auch mal auf den Tisch hauen, als innerlich alles anzusammeln, bis es zur Eskalation kommt. Wer ernsthaft cholerisch reagiert, kann mit Psychotherapien seine Wut in den Griff bekommen. Doch es gibt auch ein paar simple Tricks, wie sich negative Emotionen im Alltag steuern lassen: Regelmäßige Bewegung ist ein einfaches Mittel, um das auf Dauer schädliche Adrenalin, das bei Ärger ausgeschüttet wird, abzubauen.

Stimmungsschwankungen: Beinflussung des Gehirns

Auch andere negative Gefühle wie Traurigkeit oder Angst lassen sich damit positiv beeinflussen. Kampfsportarten trainieren ganz besonders die eigene Disziplin. Aber auch mentales Training wie Achtsamkeitsmeditation kann helfen, langfristig ausgeglichener zu werden. Durch Hirnstudien wurde sogar bewiesen, dass diejenigen, die seit Langem meditieren, eine höhere Dichte an Nervenzellen im präfrontalen Cortex aufzeigen.Also ab in den Schneidersitz und hoffen, dass irgendwann die innere Balance kommt?

So verlockend es klingt, so schräg ist für mich diese Vorstellung. Aber ich habe angefangen, Yoga zu machen – denn auch damit lässt sich innere Gelassenheit trainieren. Und sollte der nächste Dramakauf um die Ecke kommen, werde ich die Situation nur noch mit einem einzigen Wort kommentieren: Om!

Buchtipp

Noch mehr Emotionen gibt’s im neuen Buch von Giovanni Frazzetto: „Der Gefühlscode“ (Hanser Verlag, um 22 Euro)

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