Menschenrechte

Carola Rackete: Für die einen eine Verbrecherin – für uns eine Heldin

Über zwei Wochen lang wartete die "Sea Watch 3" auf eine Erlaubnis, in einem europäischen Hafen anlegen zu dürfen. An Bord 40 Geflüchtete und eine Kapitänin, die die einzig richtige Entscheidung getroffen hat.

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Was bisher geschah

Am 12. Juni hat die "Sea Watch 3" vor der lybischen Küste 53 Menschen aufgenommen. 9 Frauen, 39 Männer, 2 Kleinkinder und 3 unbegleitete Minderjährige waren auf der Flucht in internationalen Gewässern in Seenot geraten – sie wären heute wohl tot, wenn Kapitänin Carola Rackete und ihre Besatzung sie nicht gerettet hätten. Ein noch größeres Drama begann jedoch erst nach der Rettung, denn Rackete versuchte vergeblich eine Erlaubnis zur Einfahrt in einen europäischen Hafen zu bekommen. Nach über zwei Wochen traf sie die Entscheidung, in dem nächstgelegenen sicheren Hafen in Lampedusa anzulegen und wurde kurz nach dem Anlegen von der italienischen Polizei festgenommen, die "Sea Watch 3" wurde beschlagnahmt. Italien hatte dem Schiff zuvor die Einfahrt verweigert und außerdem kurze Zeit davor im Innenministerium ein neues Dekret durchgesetzt, um "Sea Watch" mit Geldbußen und Strafverfolgung unter Druck setzen zu können.

Gesetz ist Gesetz und Menschlichkeit ist Menschlichkeit

Carola Rackete wird vorgeworfen, sie habe Widerstand gegen ein Kriegsschiff geleistet und Gewalt angewendet, um im Hafen von Lampedusa anlegen zu können. Ihr drohen unter anderem wegen des Verstoßes gegen die Schifffahrtsordnung drei bis zehn Jahre Haft, aber auch eine Anklage wegen „Beihilfe zur illegalen Einreise“ steht im Raum.

„Die Situation war hoffnungslos. Und mein Ziel war es lediglich, erschöpfte und verzweifelte Menschen an Land zu bringen“, dieses Statement ließ die Kapitänin der "Sea Watch 3" über ihre Anwälte an die italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera" geben. Racketes Entscheidung war möglicherweise eine Entscheidung gegen Gesetze  – aber es war in jedem Fall eine für Menschlichkeit.

Ruben Neugebauer, Sprecher von "Sea Watch", macht außerdem deutlich, dass Carola Rackete sich strikt daran gehalten hat, was das internationale Seerecht vorsieht. Rechtswidrig hingegen sei das von Salvini verabschiedete Gesetz, da es (auch laut der Vereinten Nationen) gegen internationale Gesetze, genauer gegen die Menschenrechte verstoße.

Warum hat Rackete nicht an einem anderen Hafen angelegt?

Das internationale Seerecht sieht mit gutem Grund vor, dass nach einer Rettung am nächstgelegenen sicheren Hafen angelegt wird. Rackete hat also auch hier zur Sicherheit ihrer Passagiere gehandelt. Mehrere Notevakuierungen während der Zeit, in der die "Seawatch 3" vor Lampedusa lag haben das deutlich gemacht: Dreizehn der 53 Menschen mussten schon vor dem „rechtswidrigen“ Anlegen des Schiffs medizinisch behandelt werden – dass Carola Rackete nicht versucht hat andere Häfen anzusteuern, sondern in der einmal erreichten Nähe zu medizinischen Versorgungsmöglichkeiten geblieben ist, war also ebenfalls eine Entscheidung für das Wohlergehen der Menschen an Bord.

Darum ist Carola Rackete für uns eine Heldin

Carola Rackete ist eigentlich schon durch ihre tagtägliche Arbeit eine Heldin. Durch die Rettung der 53 Geflüchteten am 12. Juni und das Anlegen im Hafen von Lampedusa 17 Tage später hat sie jetzt allerdings nicht nur ihre Freiheit riskiert, sondern auch ein Zeichen gesetzt: Sie hat gehandelt, Menschen gerettet und gezeigt, dass es in der sogenannten „Flüchtlingsdebatte“ nur eine Priorität geben kann – und das sind Menschenleben.

Wenn das hier ein Film wäre…

Wenn diese ganze Geschichte ein Film wäre, wäre vollkommen klar, wer der Gute und wer der Böse ist. Der einzige Lichtblick angesichts der Verhaftung einer Frau, die einfach nur Menschen in Not retten und in Sicherheit bringen wollte, ist der große Zuspruch der Menschen, insbesondere von Politikern und bekannten Persönlichkeiten weltweit. Beispiellos verlaufen ist ein Spendenaufruf von Jan Böhmermann und Klaas Heufer-Umlauf: Mit einem Youtube-Video riefen sie zur Unterstützung auf und sammelten innerhalb kürzester Zeit 759.226, 69 Euro. Die Aktion soll noch bis Ende Juli laufen. Die bis dahin gesammelten Spenden sollen für die anfallenden Rechtskosten für Carola Rackete und die Ausgaben der See-Lebensretter eingesetzt werden - jeder kann unterstützen und mitmachen.

Bei einer weiteren Spendenaktion in Italien kamen über 410.000 Euro zusammen - damit haben die Spendenaufrufe für Carola Rackete und "Sea Watch" mehr als eine Million Euro erzielt.

Die Politik ist in der Verantwortung, aber jeder kann etwas tun

Die Menschen, die von der "Sea Watch 3" an Land gebracht wurden, sind nicht aus Spaß aus ihrem Land geflohen: In Lybien drohen ihnen illegale Haft, Folter, Sklaverei und andere Schicksale, die beispielsweise für uns in Deutschland kaum vorstellbar sind. Natürlich liegt es vor allem in der Hand der Politiker eine Lösung für die "Flüchtlingsdebatte" zu finden, aber jeder von uns kann etwas tun: Das muss keine Spende sein – auch einfach ein verbales Aufstehen für Menschenleben, für Menschen, die nicht das Glück hatten in einem demokratischen Wohlstandsland mit (halbwegs) funktionierendem Rechtssystem geboren zu werden, kann ein Zeichen setzen und einmal mehr deutlich machen, dass sie einzig richtige Entscheidung in der sogenannten „Flüchtlingsdebatte“ eine Entscheidung für die Menschlichkeit ist.

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