Patricia „Patty“ Hearst: Wurde das Entführungsopfer zur skrupellosen Verbrecherin?
Bis heute gibt die seltsame Geschichte der gekidnappten Millionärstochter Rätsel auf.
Es sollte ein romantischer Abend werden – essen bei Kerzenschein und kuscheln mit ihrem Verlobten. Doch am Abend des 4. Februar 1974 stürmten drei Maskierte mit Pistolen das Apartment von Patricia „Patty“ Hearst in Berkeley (Kalifornien). Ihr Verlobter, Mathelehrer Steven Weed (26), wurde brutal zusammengeschlagen, die junge Frau wurde verschleppt.
War es Gehirnwäsche?
Die Studentin (damals 19) stammte aus einer der reichsten Familien Amerikas. Ihr Urgroßvater William Randolph Hearst (1863 – 1951) war ein Medienmogul und Milliardär, der die größte Zeitungskette des Landes aufgebaut hatte. Seinen fünf Söhnen, darunter Patricias Vater Randolph A. Hearst († 85), hinterließ er ein Vermögen. Nach Verhandlungen mit den Kidnappern zahlte ihr Dad sechs Millionen Dollar, um Essen für Arme zu finanzieren. Hinter der Entführung steckte die linksextreme Symbionese Liberation Army (SLA), eine Bande aus Mördern und Verbrechern, angeführt von einem alkoholkranken Choleriker. Dieser ließ Patty dennoch nicht frei, hielt sie 57 Tage lang hielt in einem Wandschrank gefangen. Dann geschah etwas Verstörendes: Das Opfer wurde selbst zur Verbrecherin, schloss sich der Bande an und beging mehrere Überfälle. Fotos von ihr mit Maschinenpistole gingen um die Welt. Als sie im September 1975 verhaftet wurde, war sie zwar aus den Klauen der Gruppe befreit, aber ihr drohte eine lange Haft. Patty sagte vor Gericht aus, unablässig misshandelt und einer Gehirnwäsche unterzogen worden zu sein. Man habe sie vor die Wahl gestellt: entweder sterben oder mitmachen. 1976 wurde sie zu 35 Jahren Haft wegen bewaffneten Raubüberfalls verurteilt. Der damalige Präsident Jimmy Carter gewährte ihr jedoch Amnestie, sie kam nach 21 Monaten frei.
Sie fühlt sich seither mal als Opfer, mal als Schuldige
Bis heute glauben manche Menschen, sie sei eine verwöhnte Göre gewesen, die Robin Hood spielen wollte. „Nein! Das nennt man Stockholm-Syndrom, wenn du dich mit deinen Entführern anfreundest, nur deshalb, weil sie dich nicht umbringen“, erklärt Patricia Hearst. „Die Wahrheit ist: Es wird nie vergehen.“
Autor*in: Redaktion Retro