Sport befreite mich vom Liebeskummer

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Beim Laufen kann man seinen Gedanken freien Lauf lassen... Foto: Skogas, fotolia
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Liebe

Als sich ihr Freund Oliver (34) nach vier Jahren von ihr trennt, stürzt Birgit in eine tiefe Krise. In diesem Protokoll berichtet sie, wie ein spezielles Fitness-Training ihr half, Kraft und neues Selbstbewusstsein zu finden...

Die kleine Ann schleckt genüsslich an ihrem Eis. Wir bummeln über den Jahrmarkt. "Bei Sonja kriege ich auch immer Eis", sagt sie. Bei Sonja? Ich frage nach: "Wer ist denn Sonja?" "Eine Freundin von Papa, da gehen wir häufiger hin!"

Ich kann es nicht glauben!

Ann ist die 10-jährige Tochter meines Freundes Oliver. Wir sind seit vier Jahren zusammen. Die Kleine lebt bei uns. Meine Gedanken überschlagen sich, plötzlich fügt sich alles zusammen: Oliver betrügt mich! Schon seit einiger Zeit habe ich das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt. Trotzdem bin ich fassungslos. Oliver ist meine große Liebe. Und alles hat mal so gut angefangen ...

Ich treffe Oliver 2001 bei einer Bekannten. Er ist ihr Exmann, mit ihm hat sie Tochter Ann. Ich weiß, dass die beiden getrennt sind. Ich komme mit Oliver ins Gespräch, er erzählt, dass er dringend eine neue Waschmaschine braucht. Ich biete ihm an, dass er meine alte haben kann, die im Keller steht. Er freut sich, einige Tage später kommt er, um sie abzuholen. Wir stellen fest, dass wir fast Nachbarn sind - er wohnt um die Ecke. Von da an geht alles ganz schnell, es ist Liebe auf den ersten Blick. Er macht mir wunderbare Komplimente, sagt, ich sei seine Traumfrau. Er ist zärtlich, superromantisch - ich bin glücklich. Dass seine Tochter bei ihm wohnt, stört mich nicht. Im Gegenteil, ich finde, dass die enge Beziehung zwischen den beiden ein gutes Zeichen ist.

Zu der Zeit mache ich gerade eine Ausbildung zur Fitness-Trainerin. Ich arbeite in der Woche als Auszubildende in der "Fitness Company", an den Wochenenden bin ich meist auf Seminaren. Da ist Freizeit natürlich knapp. Umso mehr genieße ich die Stunden, die wir miteinander verbringen. Nach sechs Monaten ziehe ich zu ihm - wir sind sowieso fast immer in seiner Wohnung. Unser Glück ist perfekt. Wir planen sogar ein gemeinsames Kind - also höre ich auf zu verhüten.

Erst nach zwei Jahren merke ich, dass unsere Beziehung immer anstrengender wird. Ann ist eifersüchtig, sie fordert jetzt mehr Aufmerksamkeit von ihrem Vater. Nachts kommt sie zu ihm in unser Bett - und er schickt sie nie weg. Wann immer etwas ist - Ann geht vor! Ich muss ständig Rücksicht nehmen. Alle unsere Aktivitäten sind auf das Kind abgestimmt. Wenn wir ins Kino gehen, sehen wir einen Kinderfilm. Wenn wir etwas unternehmen, muss es Ann gefallen. Also besuchen wir Jahrmärkte, Freizeitparks und Spielplätze.

Mich stört das immer mehr, aber ich lasse mir nichts anmerken. Ich liebe diesen Mann doch! Und will nicht wahrhaben, dass er mich immer schlechter behandelt. Immer unfreundlicher und unaufmerksamer wird. Bis er eines Tages unvermittelt sagt: "Ich will doch kein Kind mehr, ich habe es mir anders überlegt!" Ich bin fassungslos! Zu allem Überfluss bleibt meine Regel aus. Beim Frauenarzt erfahre ich: Ich bin nicht schwanger - ein Glück! Aber mein Hormonhaushalt ist völlig durcheinander. Die Pille kommt für mich so lange nicht infrage, bis sich alles wieder eingependelt hat. Ich erzähle Oliver davon. Und er? Rührt mich seit dem Moment nicht mehr an - ich kann es nicht glauben! Mein Selbstbewusstsein sinkt immer weiter. Wir unternehmen kaum noch etwas. Wenn er ausgeht, dann mit seinem Freund. Wir haben Streit wegen irgendwelcher Nichtigkeiten, und er sagt sogar: "Wenn es dir nicht passt, kannst du ja gehen!" Ich ertrage alles.

Weil ich weiter hoffe: Dass unsere Beziehung wieder so traumhaft schön wird wie am Anfang.

Bis zu diesem Tag mit Ann auf dem Jahrmarkt. Jetzt endlich macht es bei mir "klick". Was, wenn er gar nicht mit seinem Freund ausgeht? Sondern mit einer anderen Frau? Am gleichen Abend frage ich, ob es eine andere Frau gibt. Er verteidigt sich gar nicht erst, sagt nur: "Ja", dreht sich um und schläft ein! Am nächsten Morgen folgt der absolute Tiefschlag. Oliver schaut mich an und sagt mir ins Gesicht: "Ich liebe dich nicht mehr. Du kannst gehen!" Ich bin völlig geschockt: Er schmeißt mich wirklich raus!

Eilig packe ich einige Sachen und fahre zu meinen Eltern, die in der Nähe wohnen. Ich leide sehr unter der Trennung. Die Traurigkeit lähmt mich. Ich kann nicht mehr essen, schlafe schlecht, bin wie gerädert.

Dennoch schaffe ich es, täglich als Trainerin im Fitness-Studio zu arbeiten. Den ganzen Tag gut gelaunt sein zu müssen, für die Kunden da zu sein, fällt mir unendlich schwer. Trotzdem: Ich reiße mich zusammen und halte durch. Um mich abzulenken mache ich wie verrückt Ausdauersport. An Tagen, an denen ich keine Kurse gebe, trainiere ich zwei Stunden auf dem Laufband. Ich ernähre mich hauptsächlich von Joghurts und Eiweiß-Drinks. Sechs Monate geht das so. Ich magere ab, wiege nur noch 48 Kilo - bei 1,69 Metern. Meine Kollegen bekommen natürlich mit, dass es mir schlecht geht.

Eines Tages sagt mein Kollege Michael (50): "Jetzt ist es aber mal gut, irgendwann muss auch mal Schluss sein mit Trauer!" Er fordert mich auf, mit ihm Kick-Boxen zu machen. Eine halbe Stunde Aufwärmtraining mit Medizinbällen und Kraftübungen. Dann wird richtig geboxt. Zweimal pro Woche.

Die Wirkung ist überraschend. Das Training tut unglaublich gut. Anders als beim Laufen kann ich hier nicht meinen Gedanken nachhängen, sondern muss mich jede Sekunde voll konzentrieren - denn wenn ich nicht blitzschnell reagiere, riskiere ich Michaels Faust im Gesicht! Seine Angriffe wecken meine Aggression, die so lange begraben war. Ich muss mich wehren! Dabei merke ich, wie endlich die lange von Trauer überlagerte Wut in mir hochkommt.

Und ich lasse alle meine Gefühle raus, spüre: Ich kann mich wehren, ich bin kein armes Opfer! Das tut unglaublich gut! Das Gefühl der Ohnmacht, das mich so fertig gemacht hat, weicht endlich der Wut! Es ist, als ob ein Knoten platzt. Die Blockade der letzten Monate ist gebrochen.

Das Gute: Die körperliche Kraft überträgt sich auf die Seele. Ich kann fühlen, wie ich mich immer weiter aus meinem Trauer-Kokon befreie, neue Kraft tanke. Ich gehe wieder aus, habe Spaß am Leben.

Das ist jetzt ein halbes Jahr her. Kick-Boxen mache ich immer noch einmal pro Woche. Das Training hat mich stark gemacht. Viele sagen jetzt: "Du hast eine ganz andere Ausstrahlung." Stimmt! Ich bin ruhiger geworden, gelassener. Früher war ich oft nervös. Das Training hat mich ausgeglichen gemacht. Es geht mir super gut. Und frisch verliebt bin ich auch ...