Verliebt, verlobt, verlassen!
Verlassen werden
In den USA nennt man sie „Nearlyweds“ – die „fast Verheirateten“, die kurz vor der Hochzeit kalte Füße bekommen. Auch bei uns steigt die Zahl derjenigen, die es sich in letzter Sekunde anders überlegen.
Und das, obwohl 70 Prozent aller Männer in Deutschland heiraten wollen – von den unter Dreißigjährigen wagen allerdings nur 11 Prozent den Schritt vor den Altar. In JOY schildern junge Frauen, die mit ihrem Partner so gut wie verheiratet waren, wie er kurz vor dem großen Tag sein wahres Gesicht zeigte.
Liebes-Aus nach dem Kind
„Er wollte unbedingt ein Baby, dann ließ er mich sitzen“
Yvonne, 33, Finanzmathematikerin
Es dauerte fast vier Jahre, bis ich mich traute, Daniel (Name geändert) anzusprechen . Ich kannte ihn aus der Bar, wo ich während meines Studiums jobbte. Im Dezember 2003 saß er allein an der Theke und ich dachte: ,Jetzt oder nie!‘.“ Bereits zwei Monate später zog Yvonne zu ihm. „Unsere Beziehung war traumhaft. Daniel schrieb die wundervollsten SMS, die ich je bekommen habe, nannte mich seine ,Prinzessin‘ und behandelte mich auch so.“
An einem Tag im Januar 2005 stand Daniel plötzlich hinter Yvonne, während sie die Zähne putzte, und raunte ihr ins Ohr: „Willst du nicht die Pille absetzen?“ Was sie sofort tat. Die beiden hatten zu diesem Zeitpunkt bereits eine gemeinsame berufliche Zukunft geplant. Daniel war zwar Banker, wollte aber unbedingt ein eigenes Café eröffnen. Da Yvonne sich in der Branche auskannte, machte er sie zur Geschäftsführerin seines 2005 eröffneten Betriebes. Die beiden waren grenzenlos glücklich – es gab nur einen Wermutstropfen: Yvonne wurde nicht schwanger.
Sie musste sofort ausziehen
„Daniel dachte sogar schon an eine künstliche Befruchtung, weil wir drei Jahre vergebens auf ein Baby gewartet haben.“ 2008 fuhren sie für einen Monat nach Venezuela in Urlaub – fünf Wochen danach war Yvonnes Schwangerschaftstest endlich positiv. „Ich freute mich unendlich und zeigte Daniel jubelnd den Test!“ Doch Daniels Reaktion war für Yvonne ein einziger Schock – schweigend ging er, kam erst am nächsten Morgen heim und sagte, dass sie bis 16 Uhr die Wohnung verlassen solle. Dann schrie er: „Du bist fremdgegangen !“ „Sofort zog ich zu meinen Eltern und habe ihn nie wieder gesprochen.“
Selbst ein Test, der Daniels Vaterschaft beweist, stimmte ihn nicht um. Um die Alimente drückt er sich bis heute dadurch, dass er mit seiner 22 Jahre jüngeren Assistentin nach Venezuela auswanderte und das Café aufgab. „Wie ich später erfuhr, schrieben sie sich schon Liebes-Mails, als ich mit ihm in Venezuela war.“ Nach der Trennung hat Yvonne noch zweimal versucht, eine neue Beziehung einzugehen. „Die haben aber beide nur ein halbes Jahr gedauert. Der einzige Mann in meinem Leben bleibt vorerst mein Sohn Till.“
Er hatte eine andere
„Er verliebte sich auf einer Firmenfeier in eine andere“
Michaela, 34, Bankkauffrau
„Unsere Liebe begann im Zeitraffer“, erinnert sich Michaela, „Im Dezember 2003 lernten wir uns im Fitness-Studio kennen, im März zog ich schon zu Alexander (Name geändert). Etwa einen Monat später fand ich am Morgen eine Diddl-Postkarte auf dem Tisch mit der Bitte, mich für den Abend chic zu machen.“ Alexander, der ebenfalls Bankkaufmann war, führte sie in ein kleines Restaurant mit romantisch gedecktem Tisch. „Zum Dessert machte er mir einen Heiratsantrag! Es war wie im Film.“ Da Alexander nach Bayern versetzt werden sollte, waren sich beide einig, mit der Hochzeit so lange zu warten.
Plötzlich blieben die Zärtlichkeiten aus
Nach dem Umzug vom Saarland nach Bayern feierten sie dann 2006 mit Alexanders Eltern offiziell Verlobung, 2007 wollten sie heiraten. Alles war wunderbar bis zu Alexanders Betriebsfeier im Oktober. „Danach war er plötzlich verschlossen, seine Zärtlichkeiten blieben aus. Nach einer Woche sprach ich ihn darauf an. Zunächst wiegelte er ab, aber ich ließ nicht locker. Da gab er zu, dass er bei dem Firmenfest eine andere kennengelernt hatte.“ Michaela war entsetzt.„Ich fühlte mich wie gelähmt! Ich wollte um ihn kämpfen und blieb bis Januar in der gemeinsamen Wohnung, in der Hoffnung, ihn zurückzugewinnen.
Diese Wochen waren eine Qual. Ich hörte, wie er mit ihr telefonierte, während ich im Wohnzimmer versuchte fernzusehen. Es gab Gespräche über Gespräche, Tränen über Tränen. Zum Schluss hatte ich sieben Kilo verloren.“ Alexanders Eltern wuschen ihrem Sohn den Kopf und halfen Michaela finanziell beim Umzug. Sie ist bis heute Single, aber offen für eine neue Liebe: „Ich habe ein gutes Jahr gebraucht, um über die Sache wegzukommen. Mein Fehler war, dass ich Alexander auf einen Sockel gestellt und mich aufgegeben habe – das passiert mir nie wieder.“
Trennungsgrund: Weiterbildung
„Er kam mit meiner Karriere nicht klar“
Mirela, 29, Eventmanagerin
Es war unser erstes gemeinsames Weihnachten nach drei Monaten Liebe“, erinnert sich Mirela an den Dezember 2008. „Die Kerzen brannten am Baum – da sagte Rafael, dass er ohne mich nicht mehr leben wolle.“ Kurz darauf schenkte er Mirela einen Brillantring, die offizielle Verlobung folgte im Sommer 2009 mit ihren Familien. Doch statt zur Hochzeit im Jahr darauf kam’s zur Trennung. „Anfang 2010 habe ich endlich die Zusage für die geplante Weiterbildung zur Eventmanagerin bekommen.“
Er wollte nicht, dass sie erfolgreich ist
Doch statt sich für Mirela zu freuen, verließ Rafael beleidigt die Wohnung. Mirela sagte trotzdem zu. „Kaum hatte ich aufgelegt, da rief er an und meinte: ,Ich will dich nicht mehr heiraten!‘“ Mirelas Fazit: „Ich würde nie mehr schon nach zehn Monaten zusammenziehen. Und ich würde gleich am Anfang checken, ob unsere Ziele kompatibel sind.“
Keine Zuneigung mehr
„Nach dem Kind war seine Liebe wie weggeblasen“
Susann, 30, Visagistin/BWL-Studentin
Der neue Kollege Sven (Name von der Redaktion geändert) kam im Mai 2009 zur Tür herein – und um Susann war es sofort geschehen. „Er hat mich einfach umgehauen.“ Beide hatten während ihres Studiums in derselben Bar angeheuert – und tranken nach dem ersten Feierabend ein Glas Wein zusammen. „Ich hatte mich nicht getäuscht – Sven entsprach genau dem, was ich mir vorgestellt hatte, ein rundum toller Kerl.“ Der angehende Jurist war gut erzogen, eloquent und er brachte sie zum Lachen.
„Nach drei Tagen waren wir bereits offiziell ein Paar. Vier Wochen später zog ich zu ihm, nach einem weiteren Monat suchten wir uns eine größere, gemeinsame Wohnung.“ Susann erinnert sich an einen sonnigen Tag im Straßencafé: „Wir sprachen über unsere Wünsche und Träume, wollten tolle Fernreisen machen, Sven wünschte sich eine Kanzlei im Zentrum, ich mir einen Beauty-Salon in seiner Nähe. Und da kamen wir fast zwangsläufig auf das Thema Kinder und Hochzeit, aber wir beschlossen, dass die Karriere erst mal Vorrang habe.“
Er kümmerte sich nicht um sein Kind
Doch schon ein halbes Jahr später wurde Susann schwanger. „Nach dem ersten Schock freuten wir uns riesig! Zwar hatten wir das Thema ,Hochzeit‘ auf Eis gelegt, aber jetzt, da das Kind unterwegs war, wollte ich eine kleine Familie.“ Sven wiegelte ab, meinte, mit einem Kind sei eine Hochzeit finanziell nicht zu stemmen. Und mit fortschreitender Schwangerschaft distanzierte er sich immer mehr von Susann. „Als Noah am 26.7.2010 zur Welt kam, war alles vergessen – aber nur für ein paar Wochen.“ Sven arbeitete damals als Projektmanager in einer Bank – ein 15-Stunden-Job.
Wenn er freihatte, daddelte er stundenlang am iPhone herum, statt sich ums Kind zu kümmern. „Früher küsste er mich bei jeder Gelegenheit, jetzt fasste er mich nicht einmal mehr an. Ich sagte zu Sven: ,Ich wünschte, ich wäre dein iPhone, das streichelst du wenigstens!‘ Da ist er ausgerastet.“ Für Susann wurde der Zustand mit jedem Tag unerträglicher. Irgendwann hielt sie es nicht mehr aus und fragte Sven: „Willst du überhaupt noch mit mir zusammen sein?“ Seine lapidare Antwort: „Nein!“
„Ich war so verletzt, doch er konnte mich noch nicht mal mehr umarmen.“ Danach zog sie die Konsequenz und mit Noah aus. „Wenigstens holt er Noah oft. Aber er hat nie versucht, mich zurückzugewinnen.“ Eine neue Beziehung kann sich Susann im Moment noch nicht vorstellen. „Ich denke, wir sind alles zu schnell angegangen. Dennoch würde ich nichts anders machen, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte – schließlich habe ich jetzt meinen süßen Noah!“
Das Ende einer Fake-Ehe
„Unsere Ehe war nur ein Fake“
Dagmar, 40, Dokumentarfilmerin
Dass sie sich online verlieben und sogar einen Heiratsantrag annehmen würde, hätte Dagmar nie gedacht, bis sie den US-Filmassistenten Dan Ende 2004 auf MySpace traf. „Im Netz kam ich ihm näher als je einem Mann im ,echten Leben‘.“ In Las Vegas sahen sich die beiden zum ersten Mal live. „Wir fielen uns in die Arme, es war genauso, wie wir es uns vorgestellt hatten.
Schon am zweiten Hochzeitstag war es aus
In einer Hochzeitskapelle schworen wir uns ewige Liebe, sogar die Trauringe hatten wir online bestellt.“ Doch an ihrem zweiten Hochzeitstag – Dagmar war wieder mal in die USA geflogen – erklärte ihr Dan, dass es aus sei. Er hätte sich in eine Amerikanerin verliebt. „Verrückt, was ich gemacht hatte. Zum Glück war es nur eine Fake-Ehe, die bei uns nicht gilt.“
Zwei Tage nach der Verlobung war Schluss
„Den Ring habe ich trotzdem behalten“
Rosaria, 31, Key Account Managerin
Von ihrer großen Liebe ist Rosaria nur ein Diamant-Solitär geblieben. Die Tochter italienischer Eltern aus Frankfurt war wegen ihres Jobs nach Neapel gezogen. Dort lernte sie Anfang 2006 Ciro kennen. „Er war charmant, stets gut gelaunt und lächelte viel!“ Ciro hatte ein Café und wollte noch ein Sonnenstudio eröffnen. Jeden Tag nach ihrer Arbeit half Rosaria abwechselnd in beiden Geschäften. „Auf der Hochzeit seines Bruders 2009 sagte Ciro, dass er auch so eine Traumhochzeit feiern wolle – und dass er sich kleine Bambinas von mir wünsche, die so schön seien wie ich.“
Die Hochzeit planten sie für den 9. Juni 2012, weil sie noch auf eine gemeinsame Wohnung sparen wollten. An Rosarias 30. Geburtstag überreichte Ciro ihr feierlich den Diamantring. „Bitte heirate mich“, sagte er. Ciros Eltern freuten sich riesig über die zukünftige Schwiegertochter. Der große Knall kam aus heiterem Himmel. „Silvester 2009 war noch wunderschön, doch zwei Tage danach machte er Schluss!“
„Ich glaube immer noch an die große Liebe"
Rosaria verstand seine Entscheidung nicht: „Er kam ins Studio, wo ich wieder aushalf, war aufgeregt und stammelte herum, dass ihm alles zu stressig werde, dass er nicht mit mir zusammen sein könne. Dann rannte er weinend raus. Ich war so fassungslos, dass ich kein Wort herausbrachte und ihm die Studioschlüssel nachwarf.“ Monate später erfuhr Rosaria, dass er eine andere hatte. „Ich hätte auf meine Eltern hören sollen, die Ciro für eingebildet hielten. Jetzt lebe ich wieder in Frankfurt als Single . Mit den Männern habe ich deshalb aber nicht abgeschlossen. Ich glaube immer noch an die große Liebe.“
Plötzlich war die Liebe weg
„Unsere Liebe ist uns abhandengekommen“
Carmen, 34, Autorin
„Unsere Libido ist die einzige Grundlage unserer Existenz.“ Carmen lacht noch heute, wenn sie an den Satz denkt, den Murat in einem Seminar mal vor sich hinmurmelte. Beide studierten Theater-, Film- und Medienwissenschaften an der Uni Erlangen. „An Murat fiel mir sofort seine männliche Ausstrahlung auf, dazu ist er gebildet und kreativ. Ein spannender Mix!“ Beide trafen sich immer wieder in der Uni, diskutierten nächtelang und verliebten sich schließlich. „Von 2000 an waren wir zusammen. Murat hat mir in all den Jahren bestimmt 20 Anträge gemacht. Aber eher inoffiziell, nie mit Ring.
Alles war für eine Hochzeit vorbereitet
Trotzdem begannen wir, Einladungslisten zu schreiben, nachdem wir uns auf den 1. Juli 2006 geeinigt und auf dem Standesamt informiert hatten.“ Nach einem superschönen Urlaub im Apri 2006 in Brüssel wurde Murat im Mai kühler, abweisender und ließ die Deadline für das Bestellen des Aufgebotes verstreichen, überhaupt erwähnte er das Thema Hochzeit plötzlich mit keinem Wort mehr. „Ich hielt mich erst zurück, aber dann wollte ich doch Gewissheit und fragte Murat Ende Juni: ,Hast du Angst, dass unsere Liebe zu Ende geht?‘“ Murat nickte nur und Carmen fasste den mutigen Entschluss, vier Wochen jeglichen Kontakt zu vermeiden.
Am 22. Juli kam es zur finalen Aussprache. „Ich war aufgeregt wie beim ersten Date und hatte mir ein neues Kleid gekauft. Doch Murat meinte, er wolle sich zwar nicht trennen, aber seine Gefühle reichten nicht mehr für eine Ehe. Wir weinten beide um unsere Liebe, aber so wollte ich nicht weitermachen.“ Dennoch sind Carmen und Murat bis heute gute Freunde und telefonieren an jedem 1.7., ihrem „Hochzeitstag“. Carmen, die heute à la carte lebt, sagt: „Murat weine ich nicht mehr nach, aber dem Gefühl, das wir mal hatten.“
Das meint die Expertin
„Wer verlassen wird, sollte sofort verreisen“
Silvia Fauck, psychologische Beraterin und Coach aus Berlin, hat sich auf das Thema Liebeskummer spezialisiert, www.liebeskummer-praxis.de
JOY: Wieso bekommen so viele Männer in letzter Sekunde kalte Füße?
Silvia Fauck: Das kommt auch bei Frauen vor – allerdings seltener. Das Ganze hat mit Feigheit und Angst vor der Zukunft zu tun. Die Gedanken kreisen, man kommuniziert nicht mehr darüber, um die Hochzeit nicht zu gefährden, und kurz vor Torschluss wird den Männern erst bewusst, welche Ernsthaftigkeit hinter einer Ehe steckt.
Gibt es psychologische „Erste Hilfe“-Tipps?
Quasi als Trost ist der Frau das Mitleid der Familie und Freunde sicher, während der „altarflüchtige“ Mann deren Unverständnis und Missmut zu spüren bekommt, obwohl er genauso leidet wie die Frau. Der Absprung ist schließlich ein schwerer Schritt, und was er getan hat, wird von der Familie und Freunden moralisch verurteilt, gilt als Verrat. Ansonsten rate ich, sofort alleine zu verreisen, nach der Rückkehr kann man dann strukturiert nachdenken. Vielen Frauen hilft auch, sich bei der Freundin auszuweinen. Auf keinen Fall sollte man sich zu einer Racheaktion überreden lassen.
Gibt es Warnsignale, die darauf hinweisen, dass man es mit so einem „Altarflüchtling“ zu tun hat?
Die gibt es nicht wirklich, aber wenn ihn plötzlich alles an einem stört, er ständig nörgelt, sich in die Arbeit flüchtet oder alle Zärtlichkeiten aufgibt, sollten die Alarmglocken klingeln.