Nicola Eisenschink: Wie ein Hausboot zu kaufen mich nach der Scheidung gerettet hat
Ein Hausboot kaufen und auf dem Wasser leben, davon träumen viele Menschen. Trauerrednerin Nicola Eisenschink hat sich gewagt und ein Hausboot in den Vierlanden bei Hamburg gekauft. Hier spricht sie über ihr Leben auf dem Hausboot „Lotte“ und gibt Tipps zum Hausboot kaufen!
Nicola Eisenschink über ihr Leben auf einem Hausboot: Hausboot Lotte, Kater Emma und ich
»Es war dieser Moment, an dem die Sonne durch die graue Wolkendecke brach, sich im Wasser spiegelte und zitternde Lichtmuster an die Decke des Schiffs warf. In diesem Moment waren alle Zweifel über Bord gespült, in diesem Moment war ich mir ganz sicher: Ich will auf einem Hausboot leben.«
Auf einem Hausboot mitten in der Natur leben - das klingt nach einem echten Traum. Aber lässt sich so ein Traum tatsächlich in die Realität umsetzen? Nicola Eisenschink hat sich getraut und einen kompletten Neuanfang gewagt.
Nach der Trennung von ihrem Mann beschließt die gelernte Journalistin, ihr Leben umzukrempeln – in jeder Hinsicht. Sie hängt ihren Job an den Nagel und beginnt als Trauerrednerin für ein Hamburger Bestattungsinstitut zu arbeiten. Ein intensiver Beruf mit traurigen, aber auch mit schönen und berührenden Momenten, der die tatkräftige Mittfünfzigerin bis heute glücklich macht.
Nach dem beruflichen Neuanfang erfüllt sich Nicola Eisenschink einen Herzenswunsch: Sie kauft sich ein Hausboot am Ende eines langen Stegs in den idyllischen Vierlanden bei Hamburg und tauft es auf den Namen »Lotte«. Zusammen mit ihrem Kater »Herr Emma« stellt sich Nicola Eisenschink den Herausforderungen des Hausbootlebens und beweist: Man kann auch aussteigen, ohne alles aufzugeben.
Im Gespräch: Nicola Eisenschink erzählt von ihrem Leben auf Hausboot Lotte
Nicola Eisenschink über den Neuanfang auf ihrem Hausboot »Lotte«, über kalte Winter, rutschige Bootsstege, spontane Notlösungen und ihren Traumberuf als Trauerrednerin
Wie kamen Sie zu dem Entschluss, noch einmal neu anzufangen und auf ein Hausboot zu ziehen? Gab es einen konkreten Auslöser?
Nicola Eisenschink: Mein Mann und ich haben uns getrennt, es war Zeit für einen Neuanfang. Und ich wollte eine ganz andere Richtung einschlagen. Ich hatte eine ganz normale Wohnung an Land gefunden, aber das reichte mir nicht. Ich wünschte mir etwas Radikaleres. Außerdem bin ich ein Mensch, der gern etwas Neues ausprobiert.
Warum haben Sie sich dafür entschieden, ausgerechnet auf ein Hausboot zu ziehen? Haben Sie eine besondere Verbindung zu Booten oder zum Wasser? Wenn ja, woher stammt diese Verbindung?
Nicola Eisenschink: Die Idee, auf ein Schiff zu ziehen, hatte ich schon einige Zeit. Ich bin mit meinem Mann gesegelt. An Bord habe ich mich so wohl gefühlt wie nirgendwo sonst. Und das wollte ich jeden Tag haben.
Wie hat sich die Entscheidung, einen Neuanfang zu wagen, auf Ihr Leben ausgewirkt?
Nicola Eisenschink: Ich fühlte mich beflügelt und ganz und gar lebendig. War voller Tatendrang und Entschlusskraft. Ich habe sehr viel Energie in die Umsetzung meines Traums gesteckt. Ich wollte es unbedingt. Die Suche – und das Finden des Schiffs – haben mich froh und zuversichtlich gemacht.
Was lieben Sie am meisten am Leben auf einem Hausboot?
Nicola Eisenschink: Ich liebe das sanfte Schaukeln der »Lotte«, das Plätschern des Wassers, den weiten Blick, der niemals zugebaut werden kann. Ich lebe ganz nah an der Natur, mit ihr. Ich liebe die Ruhe und den täglichen Blick aufs Wasser. Es ist ein bisschen wie Urlaub. Und das jeden Tag.
Was war das Schrägste, das Ihnen bisher auf Ihrem Hausboot passiert ist?
Nicola Eisenschink: Einmal kam ich – müde von einem langen Arbeitstag – heim, meine Eltern waren da und saßen auf der Terrasse, tranken Tee. Sie hatten vorher unbeabsichtigt die Fäkalienpumpe angestellt, die nur bedient werden darf, wenn das Entsorgungsboot da ist. Der ganze Schiet aus dem Fäkalientank war durchs gesamte Boot gelaufen, die Teppiche waren hin, die Wände mussten gestrichen werden. Meine Eltern hatten den Dreck nicht weg gemacht, weil sie wollten, dass ich sehe, was passiert ist. Sie konnten sich die Ursache dieses Desasters nämlich nicht erklären...
Wie geht man als Hausboot-Bewohner mit Stürmen und Hochwasser um?
Nicola Eisenschink: Hochwasser berührt mich nicht. Im Gegenteil: Es ist toll, wenn mehr Wasser kommt. Denn dann habe ich einen noch weiteren Blick über die Elbe. Bei Stürmen muss ich immer etwas aufpassen, damit mir nichts davon fliegt. Inzwischen habe ich Stühle und Pflanzkästen auf der Terrasse festgebunden. Ansonsten bin ich sozusagen mittendrin im Sturm. Und das liebe ich!
Wie haben Ihre Familie und Freunde reagiert, als Sie ihnen von Ihrer Idee erzählt haben?
Nicola Eisenschink: Meine Familie stand von Anfang an hinter mir. Sie sind alle ein bisschen verrückt und konnten meine Idee, auf einem Hausboot leben zu wollen, gut verstehen. Einige Freunde hatten Bedenken. Und im Nachhinein betrachtet hatten sie alle Recht. Aber ich würde es wieder tun.
Sie sind aus der Stadt in die Vierlande gezogen. Haben Sie sich mittlerweile gut eingelebt, neue Freunde gefunden oder sogar Gleichgesinnte, die auch auf einem Hausboot leben?
Nicola Eisenschink: Die Vierlande sind meine Heimat geworden, waren es von Anfang an. Inzwischen kenne ich viele Menschen hier. Habe Freunde gewonnen, ganz besondere Menschen, die hier ihre Träume verwirklichen. Weitere Hausboot-Verrückte habe ich noch nicht kennengelernt. Aber das kommt gewiss noch, denn es gibt hier ein paar weitere Schiffsbewohner auf den Nebenarmen der Elbe.
Wenn man sich dafür entscheiden möchte, auf einem Hausboot zu leben, was muss man beachten? Kauft man ein Hausboot oder mietet man es?
Nicola Eisenschink: Miete gibt es für ein Hausboot selten, meist muss man es kaufen. Die Preise sind sehr unterschiedlich, es gibt keinen Preisspiegel wie bei Häusern und Wohnungen. Man sollte vorher entscheiden, ob man ein modernes Ponton-Hausboot bewohnen will. Oder ein altes Schiff, das man vielleicht sogar noch selbst ausbauen muss. Wichtig ist die Energieversorgung. Wasser und Strom kommen aus dem Hafen. Doch das Wasser wird im Winter abgestellt. Eine eigene Regenwasser-Kläranlage ist da sinnvoll. Auch die Heizung für den Winter darf man nicht vergessen. Damit einher geht natürlich die Isolierung des Rumpfes, die fast noch wichtiger ist, als bei einem Haus an Land. Jeder, der auf ein Hausboot zieht, sollte wissen, dass es nicht dasselbe ist wie ein Leben an Land. Es ist schwieriger – und schöner. Man darf kein Weichei sein, muss auch mal anpacken können und sollte am besten handwerklich begabt sein, um Reparaturen selbst ausführen zu können.
Wie verbringen Sie den Winter auf Ihrem Hausboot in den Vierlanden? Geht dies mit einem Einsamkeitsgefühl einher oder ist es gerade diese Stille, die Sie dann genießen?
Nicola Eisenschink: Einsam habe ich mich noch nie auf der Lotte gefühlt. Im Gegenteil – der Wechsel der Jahreszeiten ist viel spürbarer als an Land und es gibt im Winter so vieles zu sehen: Die Eisvögel und die Kanadagänse, die sanften Farben, wenn es denn mal sonnig ist. Jede Jahreszeit hat ihre Vorteile. Inzwischen liebe ich den Winter genauso wie den Sommer. Seit ich die Lotte umgebaut habe, ist es nicht mehr so schwierig.
Sie tanzen gerne Lindy Hop. Wie sind Sie dazu gekommen? Sehen Sie eine Verbindung zwischen Ihrer Vorliebe für Lindy Hop und Ihrem ungewöhnlichen Lebensstil auf einem Hausboot?
Nicola Eisenschink: Es gab in der Hamburger Hafencity an einem Sommertag einen kostenlosen Schnupperkurs. Und da hat es mich gepackt, obwohl ich vorher Paartanz gehasst habe. Ich mochte die Musik, ich mochte die Bewegungen. Und ich möchte das Tanzen nicht mehr missen. Es macht glücklich. Dieses Ausprobieren von etwas Neuem zog sich nach der Trennung von meinem Mann durch mein Leben. Also passt das ganz gut zusammen.
Sie waren für ein Hamburger Bestattungsinstitut tätig und sind jetzt freiberufliche Trauerrednerin in Hamburg. Wie sind Sie zu diesem Beruf gekommen? Was macht für Sie das Besondere daran aus?
Nicola Eisenschink: Ich habe als freiberufliche Journalistin gearbeitet. Aber in diesem Berufsfeld ist die Lage inzwischen fast überall desolat: Es gibt kaum mehr etwas zu verdienen. Also habe ich mich nach einem neuen Beruf umgesehen, nicht ganz einfach, wenn man die 50 überschritten hat. In der Zeitung entdeckte ich dann das Gesuch eines Bestattungsinstituts nach einer Trauerrednerin. Das klang interessant. Und mein Gefühl sagte mir, das sei der richtige Beruf. Es hat mich nicht getäuscht. Ich konnte früher nicht vor Menschen sprechen, das habe ich inzwischen gelernt, halte meine Reden frei und liebe es. Ich begleite die Menschen in einer sehr schweren Situation. Und wenn ich ihnen durch meine Rede helfen kann, die Trauer besser zu verarbeiten, macht mich das froh.
Ihr Kater heißt »Herr Emma«. Wie kam es zu dem Namen? Und weshalb heißt das Hausboot »Lotte«?
Nicola Eisenschink: Herr Emma kam zu seinem Namen, als ich ihn aus dem Tierheim holte. Man hatte mir gesagt, es sei ein weibliches Tier, so nannte ich sie Emma. Und stellte nach kurzer Zeit fest, dass sie ein »er« ist. Da habe ich einfach ein »Herr« davor gesetzt, damit er sich nicht schon wieder an einen neuen Namen gewöhnen muss. Als ich die »Lotte« gekauft hatte, hieß sie »Chateau d’eau«. Den Namen fand ich viel zu protzig. Und auf der Suche nach einem neuen Namen fiel mir meine längst verstorbene Oma Lotte ein. Sie war als junge Frau in den 30er-Jahren allein mit einer Freundin im Faltboot und mit Zelt unterwegs gewesen. Ungewöhnlich für die Frauen dieser Zeit. Und ich wollte nun auch einen ungewöhnlichen Weg gehen. Außerdem habe ich Oma Lotte sehr geliebt, sie hätte sich über meinen Weg aufs Hausboot gefreut.
Gibt es Momente, in denen Sie Ihre Entscheidung, auf ein Hausboot zu ziehen, bereut haben? Wenn ja: Was hat Ihnen in jenen Momenten geholfen?
Nicola Eisenschink: In den ersten Wintern war es sehr schwer. Ich musste mich dauernd um die Versorgung mit Wasser und Heizmaterial kümmern. Geheizt habe ich bis jetzt mit Gas, die schweren Gasflaschen musste ich dann über den Steg zur »Lotte« schleppen. Fließendes Wasser gibt es im Winter nicht, so dass ich aus Tanks leben und mich gewaltig einschränken muss. Das hat mich sehr belastet. So sehr, dass ich die »Lotte« verkaufen wollte. Doch schnelles Aufgeben ist meine Sache nicht. So habe ich mir überlegt, wie ich mein Schiff umbauen und die Wintersituation leichter machen kann. Einiges an Umbauten habe ich nun umgesetzt, so dass der Winter jetzt richtig gemütlich ist.
Was haben Sie durch den Umzug aufs Hausboot über sich selbst gelernt?
Nicola Eisenschink: Das Leben auf der »Lotte« hat mich stark gemacht. Ich weiß jetzt, wie viel ich aushalten kann. Und ich weiß auch, dass ich für Probleme eine Lösung finden kann. Allerdings ist das Leben auf einem alten Hausboot sicher nicht für jeden etwas. Man muss ein bisschen was aushalten können, ob es nun das fehlende Wasser im Winter ist oder die Schwierigkeiten mit der Heizung. Auch ist das Hausboot-Leben kein billiges. Liegegebühren und Wasser- sowie Stromversorgung kosten so viel wie eine komfortable Mietwohnung an Land. Wer aber ein paar Unannehmlichkeiten und auch die Kosten in Kauf nimmt, wird vielfach belohnt. Es gibt keinen schöneren Ort zum Leben – jedenfalls für mich.
Welche Pläne oder Wünsche haben Sie für die Zukunft?
Nicola Eisenschink: Ich wünsche mir, die »Lotte« komplett energieautark zu machen, so dass ich den gleichen Komfort habe wie an Land. Als nächstes ist eine Pflanzenkläranlage auf dem Dach geplant. Und wenn ich als Autorin reich und berühmt bin, möchte ich auch meinen Strom mit Solarpaneelen und einem Windrad selbst erzeugen. Außerdem möchte ich nach sechs Jahren endlich einmal wieder einen kleinen Urlaub machen.
Das Buch:
Über ihr Leben auf einem Hausboot hat Nicola Eisenschink ein Buch geschrieben: "Hausboot Lotte, Kater Emma und ich." Ein Buch für alle, die sich ein Herz fassen wollen, um ihre Träume zu verwirklichen – oder die einfach an dieser schönen Geschichte teilhaben wollen. PS: Mehr von Hausboot Lotte gibt es auch auf Facebook: facebook.com/HausbootLotteElbe.