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Die Scham in mir: Über meine Angst vor Ablehnung, die weibliche Scham und Selbstliebe

Warum schäme ich mich so? Mein Versuch, meiner Scham mutig gegenüber zutreten und ihr ihre Macht zu nehmen.

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Ich drücke auf „Senden“. Mein Herz beginnt schneller zu klopfen. Ich verziehe mein Gesicht. War das eine gute Idee? Was ist, wenn meine Nachricht unangebracht ist? Ich wünschte, es würde sich ein Loch auftun, in das ich springen kann. In mir steigt Hitze auf. Sie überrollt mich: die Scham.

Es gibt unzählige Momente in meinem Leben, in denen ich mich schäme. Mal ist die Scham klein, beiläufig, mal so unendlich groß, dass ich das Gefühl kaum aushalte. Mal ist sie von gesellschaftlichen Erwartungen geprägt, mal von meinen eigenen Erwartungen.

Doch eines hat sie stets gemeinsam, sie gründet in dem Gefühl, nicht gut genug zu sein, nicht richtig, nicht liebenswert, zu viel, zu laut sein, auf Widerstand zu stoßen, abgelehnt zu werden, nicht verstanden zu werden.

Was also wäre, wenn ich mich selbst mehr lieben würde? Meinen Selbstwert besser kennen, mehr mit mir im Reinen sein könnte? Würde die Scham dann verschwinden?

Warum fühlen wir Scham? Kann Scham auch ein Schutz sein? Oder ist sie ein Produkt der Gesellschaft?

Denn einer Sache bin ich mir ziemlich sicher: Früher habe ich viel weniger Scham empfunden. Und erst kürzlich ist mir bewusst geworden, welche Macht die Scham über mich hat. Das muss sich ändern. Ich will meine Scham verstehen, ihr mutig gegenübertreten und ihr ihre Macht nehmen.

Warum fühlen wir Scham?!

In der Schule nannten mich die Jungen in meiner Klasse „Miss Hollywood“ und machten sich darüber lustig, dass ich Schauspielerin werden wollte. Ich erinnere mich daran, als ich ein neues rotes Kleid hatte, auf das ich unheimlich stolz war, und es das erste Mal in der Schule trug. „Oh schaut, da kommt Miss Hollywood“, lachten sie.

Aber es störte mich nicht, zumindest nicht besonders. Ich trug mein Kleid mit Stolz. Ich wusste es war auffällig, aber genau deshalb liebte ich es so. Es war mir bewusst, dass ich oft anders war als andere. Aber ich fühlte keine Scham. Ich wusste einfach, wer ich war und was ich wollte, und durch dieses Wissen fühlte ich mich tief mit mir selbst verbunden.

Irgendwann hat sich das geändert. Ich begegnete Menschen, die mir das Gefühl gaben, zu viel zu sein. Und ich glaubte ihnen. Hinzu kamen die vielen (unfairen, unrealistischen!) gesellschaftlichen Erwartungen daran, was es bedeutet eine Frau zu sein.

Und plötzlich fühlte ich so viel Scham. Scham dafür, dass ich anders war, dass ich andere Dinge wollte, Scham für meinen Körper, Scham dafür, dass ich nie eine richtige Beziehung hatte… und und und…

Meine Scham wird also von zwei Faktoren bestimmt, was andere über mich denken (könnten) und was ich selbst über mich denke. Doch warum ist das so? Welchen Zweck hat diese Scham?

Ich recherchiere ein bisschen und stelle fest, Scham hat durchaus eine wichtige Funktion.

Denn für eine funktionierende Gesellschaft ist es wichtig, dass wir uns an bestimmte Regeln und Normen des Zusammenlebens halten. Als soziale Wesen möchten wir dazugehören, wir möchten akzeptiert und geliebt werden. Die Scham hält uns davon ab, aus dem gesellschaftlich anerkannten Rahmen auszubrechen.

Aber ist die Scham deshalb immer berechtigt?! Ich denke nicht. Schließlich gibt es viele gesellschaftliche Normen, die wir dringend hinterfragen sollten. Gerade wenn es um Aspekte wie Schönheitsideale und patriarchale Strukturen geht.

Ich kann mir gut vorstellen, dass insbesondere Frauen ein großes Thema mit der Scham haben. Denn die Einflüsse des Patriarchats prägen unsere Gesellschaft bis heute und stellen unmögliche Erwartungen an uns Frauen, denen wir gar nicht gerecht werden können. Die weibliche Scham ist quasi unumgänglich.

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Wie wir aussehen, ob wir Karriere machen wollen oder eine Familie gründen möchten, oder beides, ob wir viele Sexualpartner*innen haben, oder keine… an allen Ecken und Enden werden Frauen kritisiert und das sorgt für Scham. Zumindest bei mir. Und ich bin mir sicher: bei vielen anderen Frauen auch.

Wenn ich zurück zu meiner individuellen Scham komme, möchte ich also für mich einen wichtigen Punkt festhalten: Ich darf und muss hinterfragen, welche gesellschaftlichen Werte und Normen ich richtig und wichtig finde und welche ich falsch finde. Und die Aspekte, die ich falsch finde, denen muss ich auch nicht gerecht werden und mich erst recht nicht dafür schämen, wenn ich es nicht tue.

Puh, das ist eine Erleichterung! Zumindest erst einmal. Sich dieser Strukturen bewusst zu werden, ist sicherlich ein erster guter Schritt. Doch das im Alltag umzusetzen… nicht ganz so einfach. Aber eins nach dem anderen, schätze ich.

Schamgefühle: Angst vor Ablehnung & mein Weg zu mehr Selbstliebe

Doch die Scham, die mir noch viel mehr Angst macht, gründet tiefer. Und ich möchte mich ihr stellen. Denn vor nicht allzu langer Zeit ist mir bewusst geworden, dass da eine tiefe Scham für mich und meine Gefühle existiert. Eine unfaire, ja vielleicht sogar toxische Scham. Denn von meinem Kopf her weiß ich, dass sie nicht gerechtfertigt ist.

Ich habe mich verliebt. Das erste Mal in eine Frau. Doch darum soll es hier nicht gehen. Auch wenn diese Tatsache – wer hätte es gedacht – zunächst auch mit viel Scham für mich verbunden war.

Doch im Grunde geht es in dieser Geschichte vor allem um meine Erfahrung mit der Scham für meine Gefühle, mit der Scham für die Liebe, die ich in mir habe.

Denn auch wenn es hier bestimme Faktoren gibt, die die Scham weiter verstärken, wie etwa, dass sie älter ist, so glaube ich, dass meine Scham auch da wäre, wenn die Umstände einfacher wären.

Denn mir sind mehrere Dinge in meinem Verhalten aufgefallen, die ich auch aus früheren Erfahrungen wiedererkenne. In ihrer Nähe tue ich mein Bestes, mich so unauffällig wie möglich zu verhalten. Sie soll bloß nicht merken, dass ich Interesse habe. Wenn ich dann doch mal mehr von mir preisgebe, schäme ich mich sofort. Ich rudere zurück, verhalte mich vielleicht kühler. Nicht weil ich das Interesse verloren habe. Sondern weil mich die Scham fest im Griff hat.

Doch warum schäme ich mich so? Und vor allem wofür? Schließlich ist alles, was ich bisher gemacht habe, wenn überhaupt sehr subtile Signale zu senden. Und selbst wenn ich ihr eine ehrliche, große Liebeserklärung gemacht hätte, müsste ich mich dann dafür schämen?! Nein!

Das weiß ich von meinem Kopf her. Doch mein Gefühl ist anders. Denn allein bei der Vorstellung, meine Gefühle offen anzusprechen, wird mir schlecht.

Ich habe sehr viel darüber nachgedacht und mir ist klargeworden, dass ich mich für meine Gefühle schäme, dass ich mich für die Liebe, die ich spüre, schäme. Aber ich weiß auch, dass dahinter nur eines stecken kann: die Angst vor der Ablehnung. Beziehungsweise, dass eine Ablehnung bedeuten würde, dass ich nicht gut genug bin, dass ich nicht liebenswert bin, dass ich zu viel bin.

Und während ich das gerade schreibe, stöhne ich innerlich laut auf. Denn ehrlich gesagt, bin ich müde davon, dass mich diese Themen immer noch im Griff haben. Denn es sind Themen, an denen ich schon viel gearbeitet habe… Aber ich schätze die Arbeit an einem selbst hört wohl nie auf.

Aber zurück zu meiner Scham. Was diese bestimmte Situation angeht, habe ich einen Satz für mich gefunden, den ich mir ab jetzt immer wieder sagen werde: Die Liebe, die ich zu geben habe, ist nichts, wofür ich mich schämen muss.

Denn so ist es ja auch. Warum sollte ich mich dafür schämen? Da mir aber ja klar ist, woher es kommt, nehme ich mir vor, wieder mehr an meiner Selbstliebe zu arbeiten. Denn dann kann mich nichts im Außen so erschüttern, dann verliert die Scham ihre Macht.

So wie früher. Ich möchte die „Miss Hollywood“ in mir wiederfinden, die so mit sich im Reinen war, dass ihr Ablehnung nichts ausmachte. Denn sie liebte sich so, wie sie war, sie war stolz auf sich und wenn andere nicht sehen konnten, wer sie wirklich war und was sie ausmacht, dann war das ja wohl deren Problem.

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Was ich über meine Scham gelernt habe

Das alles aufzuschreiben, tut gut. Und irgendwie habe ich jetzt bereits das Gefühl, dass meine Scham etwas an Macht über mich verloren hat. Es ist sicherlich noch ein langer Weg, oder vermutlich ein niemals endender Weg, aber ich bin bereit, ihn weiter voranzugehen.

Ich möchte meine Komfortzone verlassen, die nichts anderes ist als eine Schutzmauer vor unangenehmen Gefühlen, wie der Scham. Denn diese Komfortzone macht auch verdammt einsam, und vor der Scham schützt sie mich ja doch nicht.

Ich möchte mich verletzlich machen, ich möchte bewusst in Momente gehen, in denen ich vielleicht Scham spüre. Und dann möchte ich versuchen, das auszuhalten.

Und wenn ich mich erinnere, wer ich bin, was mir wichtig ist und woran ich glaube und mich dementsprechend verhalte, dann wird die Scham kleiner werden, weil sie selbst merken wird, dass sie hier keinen Platz mehr hat.

Artikelbild und Social Media: Kayoko Hayashi/iStock

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