True Crime

Richard Ramírez: Der "Night Stalker"-Serienmörder von Los Angeles

Richard Ramírez hat in den 80er-Jahren in Los Angeles 13 Menschen im Alter zwischen 9 und 83 Jahren getötet. Die Geschichte des „Night Stalkers“.

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Sommer 1984, Los Angeles. Die Menschen freuten sich auf die Olympischen Spiele. Es war das Ereignis des Jahres. Glamour und Stars durchzogen die kalifornische Stadt, in der zu dieser Zeit alles möglich schien. Doch es gab auch das düstere, verseuchte, unheimliche L.A. – und Richard Ramírez. Der „Night Stalker“ (frei übersetzt: "Nächtlicher Jäger") 13 Morde begangen und elf Frauen vergewaltigt. Brutal, vom Satan besessen. Wahllos stieg er in Wohnungen ein und tötete auf bestialische Weise. Die Geschichte eines Serienmörders, der Los Angeles ein Jahr lang in Angst und Schrecken versetzte.

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Wer war Richard Ramírez?

Am 29. Februar 1960, einem Schaltjahr, wurde Ricardo Leyva Muñoz „Richard“ Ramírez im texanischen El Paso geboren. Er hatte drei ältere Brüder und eine Schwester. Seine Eltern, die ihn „Richie“ nannten, waren mexikanische Einwanderer, die in den Staaten auf ein besseres Leben hofften.

Schon als Kleinkind musste Richard mitansehen, wie sein Vater Julian seine älteren Brüder misshandelte. Dann schlich er sich raus, um Ruhe auf dem Friedhof zwischen den Gräbern zu finden. Zu seiner fünf Jahre älteren Schwester hatte Richard ein enges Verhältnis. Die Mutter arbeitete Vollzeit in einer Schuhfabrik, der Vater war Eisenbahnwerker und nicht selten tagelang im Einsatz. Meist waren alle Kinder auf sich gestellt, wenn kein Babysitter da war.

Mit zehn Jahren erlitt Richard epileptische Anfälle. Unklar ist, ob er sich diese aufgrund eines Unfalls und infolgedessen einer Kopfverletzung zuzog oder, ob die Anfälle durch den radioaktiven Niederschlag vom rund 1400 Kilometer entfernten Los Alamos herrührten. Dort testete das Militär Atomwaffen, und der Niederschlag verseuchte meilenweit die Umgebung. Abwegig war das nicht, denn Richards älterer Bruder Joseph litt an einer Knochenkrankheit.

Wegen seiner epileptischen Anfälle, flog Raminez aus der Football-Mannschaft. Er wurde zum Einzelgänger, schnüffelte - wie seine Brüder - Klebstoff. Zu diesem Zeitpunkt war Richard Ramírez zwölf Jahre alt. Er begann seine Streifzüge durch die Nachbarschaft, beobachtete die Bewohner. Bald darauf brach er ein und genoss das Machtgefühl, wie ein Unsichtbarer im Dunkeln in ein fremdes zu Hause einzudringen.

Schlechter Einfluss: Der Cousin

Doch wie wird ein so junger Mensch von einem Dieb zu einem Mörder? Wie auch bei anderen True Crime-Fällen, liegt der Grund auch an einer dysfunktionalen Familie – und schlechten Einflüssen. So umgab sich Richard Ramírez mit seinem 24-jährigen Cousin Miguel, ein hochdekorierter Veteran, der aus Vietnam zurückgekehrt war.

Die beiden fuhren regelmäßig, manchmal stundenlang mit dem Auto durch Los Angeles. Sie kifften, redeten über Sex. Miguel erzählte Richard, wie er Frauen vergewaltigt hatte. Auf einem Foto, dass der Cousin dem nunmehr 13-Jährigen zeigte ist zu sehen, wie er eine Frau mit vorgehaltener Pistole dazu zwang, ihn oral zu befriedigen. Ein weiteres Bild zeigt dieselbe Frau. Mit abgetrenntem Kopf, den Miguel stolz in die Kamera hält. Abends im Bett masturbierte Richard Ramírez, die Bilder der Frau in seinem Kopf. Von nun an würde der Teenager Sex und Gewalt für immer verbinden.

Richard Ramírez schaut in die Kamera.
In einem Gerichtssaal in Los Angeles,1985, zeigt Richard Ramírez dem Publikum seine Hand. Darauf: Ein umgedrehtes Pentagramm. Foto: IMAGO / United Archives

Die Drogen und der Teufel

Der Cousin war es auch, der Richard Ramírez den Schlitzstich der Vietnamkämpfer beibrachte. Im Mai 1973 wurde der 13-jährige Richard Zeuge, wie sein Cousin Miguel während eines Streits seiner Frau Jessie ins Gesicht schoss. Sie war sofort tot. Richard sagte nicht gegen seinen Cousin aus. Letzterer wurde verurteilt, kam aber nach vier Jahren in Haft wegen Unzurechnungsfähigkeit wieder frei. Richard,17 Jahre alt, schloss daraus: Richtig oder falsch gibt es nicht. Gewalt ist etwas Verzeihliches.

Nach dem Vorfall schmiss Richard die Schule. Stattdessen kiffte er, nahm LSD. 1982, mit 22 Jahren, zog er nach Los Angeles. Schon seit einigen Jahren lebte sein großer Bruder Ruben dort und Richard war bei jedem Besuch fasziniert gewesen von der Stadt. Er wurde kokainabhängig, wohnte wechselnd bei Bekannten oder in billigen Hotels. Seinen Lebensunterhalt und seinen Drogenkonsum bestritt er mit Einbrüchen, Diebstahl und Drogenhandel. Und: beschäftigte sich zunehmend mit Satanismus.

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Der "Night Stalker": Vom Dieb zum Mörder

Wer das erste Opfer des „Night Stalkers“ war, ist nicht eindeutig geklärt. Es könnte aber ein 9-jähriges Mädchen, das am 10. April 1984 tot im Keller ihres Elternhauses in San Francisco aufgefunden wurde, sein. Ramírez pendelte zu der Zeit zwischen L.A. und der „Golden Gate City“ hin und her. Erst 2009 konnte der Fall über einen DNA-Abgleich mit Ramírez in Verbindung gebracht werden.

Am 28. Juni 1984 stieg Ramírez in das Fenster eines Schlafzimmers im Stadtteil Glassell Park in Los Angeles ein. Es war nachts, er hatte Drogen genommen. Richard durchwühlte Schränke, Schubladen, fand nichts. Wütend soll er daraufhin ein Jagdmesser in die Brust der schlafenden Person gerammt haben. Das Opfer: Die 79-jährige Jennie Vincow, die er sexuell missbrauchte und schließlich mit mehreren Messerstichen sowie der Schlitzstich-Technik, die ihm sein Cousin Miguel beigebracht hatte, tötete.

Bis zu seinem nächsten Mord ließ sich Richard Ramírez Zeit. Erst im März 1985 schlug er wieder zu, inzwischen hatte er eine Pistole, und ermordete innerhalb von zwölf Tagen drei Frauen und einen Mann. Eine Frau, die Mitbewohnerin eines seiner Opfer, überraschte ihn. Er ließ sie laufen.

Die Polizei ist Raminez auf der Spur

Doch bei einem Mord, dem an einem Paar, machte Richard einen Fehler. Die Polizei fand einen ersten Hinweis auf seine Identität: Einen Schuhabdruck von einem Herren-Sneaker der Marke Avia.

Detektiv Gil Carrillo war es schließlich, so ist es in der Netflix-Serie „Night Stalker: Auf der Jagd nach einem Serienmörder“ (2021) zu sehen, der einen Zusammenhang zwischen den Morden herstellen konnte. Durch Aussagen von überlebenden Opfern konnte die Polizei ein erstes Profil erstellen: Gesucht wurde ein Mann mit braunen Haaren, in Schwarz gekleidet. Attraktiv, aber schlechte Zähne, ledriger Geruch. Das Muster: Der mutmaßliche Täter stieg durch offene Hinterfenster oder Terrassentüren ein. Traf er auf einen Mann, wurde dieser sofort getötet. Carrillo setzte die Mordkommission in Kenntnis und wandte sich an seinen Kollegen Frank Salerno.

Ramírez fesselte Frauen, durchsuchte die Wohnung nach Wertgegenständen und ergötzte sich daran, sie zu quälen, zu schänden, zu foltern, ihnen überlegen zu sein. Manchmal zerstückelte er seine Opfer oder prügelte sie zu Tode. Einmal trank Richard Ramírez aus der Brust einer Frau, die er zuvor vergewaltigt hatte, Muttermilch. Einer anderen entnahm er Augen. Er hinterließ Markenzeichen auf Spiegeln oder Wänden: Ein umgedrehtes Pentagramm. Das Symbol steht im Satanismus für das Böse, das Übersinnliche oder den Teufel.

Richard Ramírez trägt eine schwarze Sonnenbrille und lacht in die Kamera..
Richard Ramírez nach seiner Verurteilung 1989. Foto: IMAGO / ZUMA Press Wire

Es wird enger für den "Night Stalker"

Die Bewohner in Los Angeles verrammelten Türen und Fenster so gut es ging. Kauften sich Waffen, strichen ihre Häuser um, wenn sie beige waren. Der „Night Stalker“ schien diese Farbe zu bevorzugen, so dachte man. In der Presse wurde Ramírez als „Walk-in Killer“, „Valley Intruder“ und schließlich der „Night Stalker“ bezeichnet.

Detektiv Gil Carrillo und Frank Salerno ermittelten fortan gemeinsam. Es folgten weitere Taten Ramírez: Am 14. Mai 1985 erschoss er Bill Doi und raubte und missbrauchte dessen Ehefrau Lillain aus. Zuvor soll er gesagt haben: „Santan, dies hier werde ich für dich tun, als dein untertäniger Diener.“

Am 29. Mai schlug Richard die 81-jährige Florence Lang mit einem Hammer nieder, vergewaltigte sie. Mit Lippenstift malte er ein Pentagramm auf ihren Oberschenkel. Langs 83-jährige Schwester tötete der „Night Stalker“ mit einem Hammer.

Als am 5. Juli 1985 die 16-jährige Whitney Bennett einen Angriff Ramírez schwer verletzt überlebte, fand die Polizei einen weiteren Schuhabdruck. Zwei Tage später, am 7. Juli 1985, wurde die 60-jährige Joyce Nelson in ihrem Haus in Monterey Park ermordet. Doch auch da machte der „Night Stalker“ einen Fehler: Die Polizei fand Turnschuhabdrücke an Nelsons Kopf und auf dem Beton vor ihrem Haus. Die Marke: Avia.

Noch am selben Tag vergewaltigte Ramírez Sophie Dickman spät abends im Monterey Park. Carrillo und Salerno waren sich einig: Diese Angriffe wurden von einem Mann verübt.

Der entscheidende Hinweis

Im Laufe des Sommers meldeten auch Menschen Einbrüche und Angriffe in den nahegelegenen Städten Monrovia, Burbank und Arcadia. Tausende Hinweise gingen bei der Polizei ein. Carrillo und Salerno stießen ihrerseits auf Hinweise, darunter einen Zahnarzt, den Ramírez offenbar aufgesucht hatte. Außerdem stimmten die Patronen, die schließlich an weiteren Tatorten entdeckt wurden, überein.

Schließlich gelang der Polizei bei der Suche nach dem Serienmörder der Durchbruch: Einem 13-jährigen Jungen fiel ein Auto auf. Dort saß ein „verrückt aussehender Typ ganz in Schwarz“. Er notierte sich einen Teil des Kennzeichens. Es war der Wagen des „Night Stalkers“. Die Familie des Jungen alarmierte die Polizei.

Auf dem Rückspiegel des gestohlenen Autos entdeckten die Beamten Fingerabdrücke. Bilder von Gegenständen, die Ramírez bei einem seiner Überfälle gestohlen hatte, wurden veröffentlicht. Daraufhin meldete sich eine Frau: Sie habe einige der gezeigten Dinge von einem Bekannten zur Aufbewahrung entgegengenommen.

Der Morgen des 30. August 1985

Die Polizei hatte einen Namen: Richard Ramírez. In den Polizeiakten waren acht Personen dieses Namens mit Fingerabdrücken verzeichnet – einer ergab einen Treffer. Ein Foto gab es ebenfalls in der Akte. Es stammte von einer Festnahme Ramírez aufgrund eines Autodiebstahls, kurz nachdem er nach Kalifornien gezogen war.

Als Richard Ramírez am 30. August 1985 einen Spirituosenladen in der Innenstadt von Los Angeles betrat, sah er sein Gesicht auf der Titelseite des „Los Angeles Herald Examiner“. Er rannte los, versuchte ein Auto zu stehlen, doch es gelang ihm nicht. Als er ein weiteres Fahrzeug stehlen wollte, überwältigten ihn Anwohner in einem Viertel im Osten von Los Angeles. Die Polizei kam, nahm den „Night Stalker“ fest. Ramírez nannte seinen Namen. Die „Stadt der Engel“ konnte aufatmen.

Richard Ramírez wurde zum Tode verurteilt

Im Juli 1988 erschien Ramírez zum ersten Mal vor Gericht. Er plädierte auf nicht schuldig. Als er den Saal verließ, sagte er: „Heil Satan“, ein Pentagramm prangte auf seiner Handfläche.

Im September 1989 wurde Richard Ramírez in allen Anklagepunkten für schuldig befunden:

  • 13-facher Mord (in einigen Medienberichten ist die Rede von 14 Morden),

  • fünf-fach versuchter Mord,

  • elf Vergewaltigungen,

  • 14 Einbrüche.

Ricardo Leyva Muñoz „Richard“ Ramírez wurde zu 19 Todesurteilen verurteilt. Einer der längsten Gerichtsverfahren in der Geschichte der Vereinigten Staaten ging nach vier Jahren zu Ende – Ramírez war berühmt. So berühmt, dass er Groupies hatte, wie ein Rockstar gefeiert wurde, ihm Satanisten folgten.

Im Jahr 1996 heiratete er die Journalistin Doreen Lioy. Sie schenkte ihm einen Ring aus Platin. „Satanisten tragen kein Gold“, soll er daraufhin zu ihr gesagt haben. Lioy glaubte an seine Unschuld.

Nach 28 Jahren, noch während er auf seine Hinrichtung wartete, starb Richard Ramírez mit 53 Jahren im Jahr 2013 an Leukämie.

Quellen

Artikelbild und Social Media: IMAGO / United Archives