Sexmuffel: Keine Lust mehr ist gut so
Wieso wir keinen Sex mehr brauchen
Viele Menschen haben keine Lust mehr auf Sex. Sie sind geradezu Sexmuffel. Woran das liegen könnte, erklärt ein Soziologe aus Bremen.
Mit dem Sex geht es zu Ende, braucht keiner mehr, will keiner mehr – meint der Soziologe Dr. Jörg Zittlau, der das Buch „Wer braucht denn noch Sex?“ geschrieben hat. Seine Erklärung: „Mit Sex ist das wie bei Erdbeerkuchen: Hin und wieder ist er ein Genuss, gäbe es ihn dagegen täglich, würde ihn niemand mehr wollen. Und genau das ist das Problem mit dem Sex. Heutzutage gibt es ihn immer und überall, man begegnet ihm viel häufiger als Erdbeerkuchen.“
28 Mal Sex pro Monat, so sah das bei 18- bis 30-Jährigen vor 30 Jahren noch aus. Alles passé. Heute treibt es uns nur noch vier bis zehn Mal pro Monat zwischen die Laken und wahlweise auf oder unter den Liebsten. Bei den 41- bis 50-Jährigen sieht es noch düsterer aus: Sie bringen es gerade mal auf zwei bis drei Intimkontakte pro Monat. Soweit die Wissenschaft laut Dr. Zittlau.
Lieber Schokolade als Sex
Es ist schon etwas erschütternd. „40 Prozent aller Frauen in Deutschland naschen lieber jeden zweiten Tag Schokolade, anstatt sich beim Koitus abzuschwitzen“, verkündet der Autor. Auch eine Umfrage unter 600 Jugendlichen hat ein erstaunliches Ergebnis: 60 Prozent der jungen Handybesitzer würden eher eine Woche auf Sex als auf ihr Smartphone verzichten.
Sex macht sowieso keinen Spaß mehr
Fühlen Sie sich jetzt ertappt? Macht nix, findet Dr. Zittlau. Er ist überzeugt: Dass wir von den Nachrichten bis zur Werbung den ganzen Tag von Sex umgeben sind, sorgt ganz natürlich dafür, dass wir selbst keine Lust mehr haben.
Ohnehin gehe uns doch kaum etwas verloren. Spaßfaktor? Wenn man aktuelle Umfragen zu Sexualstörungen betrachte, scheine der kaum noch eine Rolle zu spielen. „Ganz zu schweigen davon, dass die Gesamtzeit aller Orgasmen eines Menschenlebens gerade mal fünf Stunden ausmacht, was vor dem Hintergrund einer Lebenserwartung von mittlerweile über 80 Jahren geradezu lächerlich ist.“
Ehen funktionieren auch ohne Liebesakt
Dass Sex langsam bedeutungslos wird, findet Dr. Zittlau tatsächlich eher besser als schlechter, denn er ist überzeugt: Eine Leben ohne Sex bedeutet mehr Selbstbestimmung! „Wenn wir ehrlich sind, wird uns möglicherweise klar, dass uns Gespräche, Verständnis, Respekt, Privatsphäre oder sinnvolle Arbeit wichtiger sind als Sex. Die Bedürfnispyramide ist bei jedem Menschen anders, und es ist kein Beinbruch, wenn der Sex darin weit nach hinten rückt.“
Auch für die Stabilität einer Ehe soll Sex nicht mehr so wichtig sein. Stattdessen zählen, so Dr. Zittlau in seinem Buch, gute Gespräche, eine ähnliches Erleben und viel Toleranz.