Trauer

Suizid des Partners: Wie soll man nur weiterleben?

Wenn der Partner Suizid begeht, ist nichts mehr, wie es vorher war. Neben unfassbarer Trauer leiden die Hinterbliebenen häufig unter Schuldgefühlen. Was jetzt wichtig ist.

Triggerwarnung: In diesem Artikel geht es um Suizid und Depressionen. Bei manchen Menschen kann dieses Thema negative Reaktionen auslösen. Bitte sei achtsam, wenn das bei dir der Fall ist!

Tod Partner Weiterleben
Der Tod des Partners bedeutet oft grenzenlose Trauer bei dem, der weiterlebt. Foto: iStock / STEFANOLUNARDI

Suizid des Partners: Die unfassbare Trauer

Trauer, Wut, Scham und Schuldgefühle - wenn sich der Partner das Leben nimmt, müssen die Hinterbliebenen mit einer unglaublich schweren Mischung an Gefühlen klarkommen. Von jetzt auf gleich ist nichts mehr, wie es früher einmal war. 

Allein in Deutschland sehen 10.000 Menschen jedes Jahr keinen anderen Weg, als sich das eigene Leben zu nehmen. Zurück bleiben fassungslose Familien und trauernde Freunde. Sehr oft sind sie selbst nach solch einem Erlebnis traumatisiert. Viele frieren geradezu ein, sind zunächst nicht mehr in der Lage, etwas zu fühlen. Umso wichtiger ist die Frage, wie Hinterbliebene, egal ob Ehepartner*in oder Lebensgefährt*in, die tiefe Trauer um die geliebte und verstorbene Person überwinden können beziehungsweise lernen können, mit der Trauer zu leben. Diesem Thema hat sich Frauke Dobek verschrieben, die die Leiterin der Berliner Beratungsstelle BeSu Berlin für suizidbetroffene Menschen ist. Mit ihr haben wir zu diesem sensiblen Thema gesprochen. 

Es kann jedem passieren, dass sich der Partner das Leben nimmt

Prominente Fußballer wie Robert Enke, Musikstars wie Chester Bennington oder der Partner der Nachbarin ein Haus weiter: Wenn sich ein Mensch das Leben nimmt, kann und sollte das die ganze Welt erschüttern. Doch wenn das Leben einer Person endet, ist es besonders für den Partner, die Eltern und die nahen Verwandten dieses geliebten Menschen eine schockierende und traumatisierende Situation. 

Teresa Enke hat diese traumatische Erfahrung gemacht. Ihr Ehemann hat sich das eigene Leben genommen und sie beschreibt, dass es Jahre gedauert hat, bis sie den Tod ihres Mannes überwunden hat. Denn wenn sich die eigene große Liebe das Leben nimmt, bedarf es Zeit, dieses Erlebnis zu verarbeiten.  In einem Interview auf spox.com sagt sie: "Er ist immer da und wird immer dabei sein genau wie unsere erste Tochter (Anm. der Red.: Die gemeinsame Tochter verstarb an einem Herzfehler). Es schmerzt mich nicht mehr, an ihn zu denken."

Große Trauer, aber auch Wut und Schuld: widersprüchliche Gefühle

Alle Menschen betrauern den Verlust eines Angehörigen oder eines Freundes anders. Doch eins steht fest: Wenn das Leben eines geliebten Menschen, durch den selbst gewählten Tod endet, stehen die Lebensgefährten und Ehepartner vor einem nicht vorstellbaren Schmerz. Wenn man den Verlust der eigenen Liebe erfährt, wird die Gefühlswelt von Emotionen, wie Angst, Wut und Verzweiflung dominiert. Doch darunter können sich auch Schuldgefühle mischen. Denn die Bewältigung eines Suizids ist eine andere als die Verarbeitung eines Unfalltodes oder eines Tods durch Krankheit.

"Suizid-Trauer gleicht oft einer starken Welle, die Gefühle sind ambivalent und chaotisch und der Verlust besonders dramatisch. Häufig kommt es zu Schuldgefühlen und einer tiefen Verzweiflung. Angehörige fühlen sich verantwortlich für den Tod des verstorbenen Menschen – oder erleben Wut auf den Verstorbenen selbst. Diese Trauergefühle können manchmal viele Jahre andauern und es braucht Zeit, um das Erlebte einzuordnen und zu verarbeiten.", meint Frauke Dobek, die für die Stelle "Beratung für suizidbetroffene Angehörige" in Berlin zuständig ist.

Somit stehen Angehörige immer wieder vor der belastenden Frage, ob sie den Tod des Verstorbenen hätten verhindern können oder ob es Anzeichen, für die sich anbahnende Tragödie gab. Diese Gedanken lösen bei den Betroffenen große Schuldgefühle und Scham aus. So bleibt, wenn sich der Partner das Leben nimmt, das Gefühl zurück, mitverantwortlich am Tod zu sein. 

"Wenn wir den Verlust eines nahen Menschen erleben, sind wir starken Ohnmachts- und Hilflosigkeitsgefühlen ausgesetzt. Diese sind beim Tod durch Suizid noch verstärkt. Ohnmacht und Hilflosigkeit zu erleben, ist für uns Menschen sehr unangenehm und schwer auszuhalten. Wenn unsere Psyche merkt, dass diese Gefühle zu stark und schwer werden, dann schaut sie nach einem Ausweg. Oft liegt dieser in einem alternativen Gefühl, welches meist auch nicht angenehm, aber ein wenig einfacher auszuhalten ist: das Schuldgefühl.", beschreibt die Leiterin der Beratungsstelle "BeSu Berlin", Frauke Dobek. 

Trauernde sind selbst gefährdet

Der Tod eines nahestehenden Menschen, egal ob durch Suizid oder nicht, gehört zu den größten Belastungen eines Menschen. Wenn die Verzweiflung groß ist, können die Betroffenen in ein tiefes Loch stürzen. In dieser Phase des Schmerzes ähneln die Symptome denen einer Depression. Extreme Trauer, wie sie durch den Suizid eines Partners ausgelöst werden kann, kann langfristig zu großen emotionalen und psychischen Herausforderungen bei den Hinterbliebenen führen. Das Gefühl, dass niemand die eigene Situation versteht, dominiert die eigene Gefühlswelt. Angststörungen und Panikattacken können auftreten. Umso wichtiger ist es, die Erfahrung aufzuarbeiten. "Hilfreich im Sinne der Prävention ist ein unterstützendes Umfeld. Trauer ist allgemein sehr individuell und es ist hilfreich, wenn die trauernde Person den Raum hat, ihre ganz persönliche Art der Trauer auszuleben.", weiß Frauke Dobek durch jahrelange Arbeit in diesem Bereich. 

Unterstützung aus dem engsten Umfeld ist für Hinterbliebene eine wichtige Stütze. So weiß Frauke Dobek, was den Menschen nach dem Erlebten hilft: "Freunde und Bekannte können mit konkreten Hilfsangeboten wie der Versorgung mit Essen, regelmäßigen Anrufen und Begleitung bei den anstehenden Behördengängen unterstützen. Diese Angebote sollten so konkret wie möglich formuliert werden. Eine Formulierung wie 'Melde Dich, wenn ich Dir helfen kann.', überfordert Hinterbliebene oft. Hilfreich sind konkrete Angebote wie z.B. 'Ich rufe Dich morgen um 16 Uhr an und Du schaust, ob Du dann mit mir sprechen möchtest oder ob lieber nicht.' Oder auch 'Hallo, ich habe einen Topf Suppe mitgebracht.' Diese Geste kann einem Trauernden Halt geben in der Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags."

Depressionen kann man nicht sehen – aber hören
Hinterbliebene brauchen Beistand. Foto: iStock / melnichuk_ira

Und diese Hilfsangebote sind in der Zeit nach dem Verlust eines geliebten Menschen unwahrscheinlich wichtig. Denn allzu groß ist das Risiko einer sich anbahnenden Depression oder des Suizids der Hinterbliebenen. Umso wichtiger ist es, den Schmerz und den Verlust der Beziehung und des Partners zu verarbeiten. Es ist klar, dass nach den ersten Tagen die Taubheit noch sehr präsent ist und die Bewältigung des Verlusts der geliebten Person eine lange Zeit in Anspruch nimmt. Doch umso entscheidender ist der Schritt, sich professionelle Hilfe zu suchen. Das sieht Frau Dobek ebenfalls so: "Die bereits beschriebenen konkreten Angebote aus dem nahen Umfeld wie gegebenenfalls auch der Kontakt zu einer Fachberatungsstelle und Selbsthilfegruppe wirken zudem präventiv."

Trauerbewältigung benötigt Zeit

Wenn der Partner den Kampf um den Lebenswillen verloren hat, bedeutet das für das gesamte Umfeld einen tiefen Einschnitt in das eigene Leben. Alle Menschen erleben die Zeit der Trauer unterschiedlich. Dennoch steht eins fest: Eltern, Familie und Freunde benötigen Zeit, um diese Phase zu verarbeiten. Denn es bedeutet nicht nur den Verlust des Partners, sondern auch der Verlust einer ganzen Beziehung, Freundschaft oder Ehe. Dafür ist es jedoch wichtig, über seine Gefühle ins Gespräch zu kommen. 

Sicherlich macht es anfänglich Angst, sich anderen Personen gegenüber zu öffnen. Doch die meisten Betroffenen können schnell feststellen, dass es noch andere Menschen mit dieser schrecklichen Erfahrung gibt. Ein Gespräch mit anderen Hinterbliebenen lindert das Gefühl der Einsamkeit und Isolation. Für viele Personen ist der Schritt jedoch sehr groß und die Hürde scheint fast unüberwindbar. Daher braucht die betroffene Person Unterstützung vom Umfeld, wie Frau Dobek meint: "Sie leiden körperlich und seelisch und sind oft nicht in der Lage, um Hilfe zu bitten. Umso wichtiger ist es, dass Menschen im Umfeld aktiv auf die Trauernden zugehen." 

Wenn Worte wehtun

Nicht nur der emotionale Umgang mit Hinterbliebenen ist enorm wichtig, sondern auch wie wir mit ihnen sprechen. Suizid ist für viele Menschen ein sensibles Thema, umso entscheidender ist es, dass wir achtsam mit unserer Sprache und Wortwahl umgehen. Frau Dobek weiß aus langjähriger Erfahrung, wie wichtig es ist, die richtigen Worte zu finden und erzählt im Gespräch mit der "Wunderweib"-Redaktion: "Ich weiß nicht, ob Sie wissen, dass in dem Wort "Selbstmord" der Begriff "Mord" enthalten ist. Dies kann wertend, besser gesagt abwertend interpretiert werden, da es sich bei Mord um eine Straftat handelt. Bis vor wenigen Jahrzehnten war Suizid in Deutschland ebenfalls eine Straftat, dies ist er zum Glück nicht mehr, daher sprechen wir nun von "sich das Leben nehmen"."

Hat dein Freund oder Mann sich das Leben genommen? Hier gibt es Hilfe

Die nach wie vor starke Tabuisierung von Themen wie Suizid und psychische Erkrankungen verhindert häufig, dass sich Angehörige Hilfe bei Verwandten, Freunden oder anderen Menschen suchen. Oft fühlen Sie sich allein gelassen mit dieser belastenden Situation. Neben vielen weiteren Organisationen engagieren sich Vereine wie "Angehörige um Suizid e.V." (AGUS) oder "BeSu Berlin - Beratung für suizidbetroffene Angehörige" um die Hilfestellungen und Informationen, die Hinterbliebene benötigen, bereitzustellen.

Rund um die Uhr steht auch die Telefonseelsorge zur Verfügung (kostenfreier Anruf: 0800/111 0 111 · 0800/111 0 222 · 116 123). Das Team ist jederzeit auf ihrer Homepage via E-Mail und Chat erreichbar Telefonseelsorge. Diese Stelle hilft nicht nur Menschen, die suizidgefährdet sind, sondern allen, die gerade in einer Krise stecken.

Ebenso können Familien und Freunde von Verstorbenen bei professionellen Trauerberatern Rat suchen. Auch das Sprechen mit Psychologen und Psychiater ist für Hinterbliebene ein wichtiger Schritt.

 Hier findet ihr alle Informationen, wenn ihr die Organisation "BeSu Berlin- Beratung für suizidbetroffene Angehörige" finanziell unterstützen und mehr erfahren möchtet.

Wenn du selbst Hilfe brauchst, findest du hier eine Auswahl an Beratungsstellen

Telefonseelsorge 0800 111 0 111 (kostenlos, rund um die Uhr) https://www.telefonseelsorge.de

Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention http://www.suizidprophylaxe.de/hilfsangebote/hilfsangebote

Nummer gegen Kummer Kinder- & Jugendtelefon: 116 111 Elterntelefon: 0800 111 0 550 https://www.nummergegenkummer.de

AGUS (Angehörige um Suizid) 0921 15 00 380 https://www.agus-selbsthilfe.de

Deutsche Depressionshilfe 0800 33 44 533 https://www.deutsche-depressionshilfe.de/start