Tierschützerin Malin: "Man kann nicht die ganze Welt in Ordnung bringen, aber für manche Hunde kann man ihre ganze Welt verändern"
Malin kämpft ehrenamtlich im Tierschutz - und schenkt Hunden die Chance auf ein neues Leben... Uns hat sie im Interview verraten, was das wirklich bedeutet.
Über unsere Interview-Partnerin:
Malin ist Schwedin und lebt seit 28 Jahren im schönen Norden Deutschlands. Sie ist hauptberuflich Marketing Managerin. Seit 2021 ist sie im Tierschutz aktiv. Dabei fokussiert sie sich auf Hunde in Ungarn und ihre Arbeit für die Tierrettung Ausland e.V., aber befasst sich auch mit den Rechten von „Nutztieren“ und Umweltschutz.
Ihr Lebensmotto: Glück kommt von vielen kleinen Momenten und Zufriedenheit im Alltag - nicht von großen, spektakulären Erlebnissen.
Malin, wie kam es dazu, dass du dich dem Tierschutz verschrieben hast?
Ich glaube, im Herzen war ich immer Tierschützerin, als Kind hatte ich Kuscheltiere und keine Puppen. Ich habe Tiere immer geliebt. Ich war immer da, wo Tiere sind und habe mich auch schon als Teenager in einem Verein gegen Tierversuche engagiert - das das war so das erste, was ich in der Richtung gemacht habe.
Gab es einen Schlüsselmoment oder eine Erfahrung, die dich auf diesen Weg gebracht hat?
Ich habe immer „Tiere suchen ein zu Hause“ geguckt und wusste immer: ich will irgendwann einen eigenen Hund und es soll ein Tierschutzhund sein. Ein älterer, den keiner haben möchte - und das habe ich dann gemacht.
Über Tierrettung Ausland habe ich Reggae gefunden, 9 Jahre alt, mit Sicherheit in seinem Leben misshandelt worden, 2 Jahre im Tierheim ohne Anfragen und dann kam er zu uns und war der perfekteste und unkomplizierteste Anfängerhund, den man sich vorstellen kann. Er war stubenrein, lieb, souverän, dankbar und dazu noch lustig und fröhlich. 7 Jahre lang war er unser größtes Glück. Solche Hunde können ein 6er im Lotto sein, wenn man es nur wagt, den Tierschützern zu vertrauen und ihnen eine Chance zu geben. Das zu erleben hat mich zu Tierschützerin gemacht, aus Leib und Seele, besonders für die "Underdogs", die übersehenen Schätze, die niemand haben will.

Ich wurde dann von TRA angesprochen, weil ich Marketing mache und auf soziale Medien spezialisiert bin. Und dann war ich auch Pflegestelle bei TRA und war dann so immer mehr engagiert - kurz gesagt im Herzen war ich immer Tierschützerin und aktiv bin ich es dann über unseren ersten Hund geworden.
Wie hat dein Umfeld reagiert, als du dich entschieden hast, diesen Weg zu gehen?
In Bezug auf die Arbeit selbst habe ich eigentlich nur positives Feedback bekommen, die Menschen bewundern es, wenn man sich engagiert. Aber als ich Pflegestelle geworden bin, haben viele gesagt „Das könnte ich nicht, den Hund wieder abgeben, ich würde alle behalten…“. Da vermuten viele, dass man sich zu viel emotionalen Stress auflädt und das mental nicht schafft.
Die Leute denken oft, wir leiden und wir opfern uns auf - und so ist es manchmal auch - aber wir sind auch wirklich glücklich, denn wir sehen, was wir bewirken können. Unsere Arbeit gibt eine tiefere Zufriedenheit, die man von oberflächlichen Vergnügungen nicht unbedingt bekommt.
Meines Wissens nach ist es auch wissenschaftlich mehrfach bewiesen worden, dass Menschen, die sich für andere einsetzen, glücklicher sind als andere.
Wie sieht dein Alltag als Tierschützerin im Ausland oder auch von zuhause konkret aus?
Ich mache eigentlich alles von zu Hause aus. Ich habe das große Glück, dass montags immer einen halben Tag frei habe – den nutze ich dann für mein Ehrenamt, ich plane zum Beispiel alles für die sozialen Medien und bereite andere Dinge vor…
Die Arbeit als Pflegestelle ist natürlich viel intensiver und nicht so gut planbar, das ist dann auch mal stressiger – der Hund ist neu, die Abläufe sind nicht eingespielt, aber bisher war das nie ein Problem.
Was sind die größten Herausforderungen – emotional, körperlich oder organisatorisch – denen du regelmäßig begegnest?
Also ich glaube eine der größten Herausforderungen ist, dass man das Gefühl hat, dass es ein David-gegen-Goliath-Kampf ist. Du kommst halt nicht gegen an…
In solchen Momenten muss man sich wirklich darauf fokussieren zu sagen: es ist besser, etwas zu machen als nichts. Für die Hunde, denen wir helfen können, ist es nicht nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, für die ist es alles. Man muss leider akzeptieren, dass man die Welt nicht in Ordnung bringen kann, aber für manche Hunde kann man ihre ganze Welt verändern.
Auch im Beruf habe ich, trotz einer tollen Karriere, nicht oft solche Erfolgserlebnisse gehabt, die mich ähnlich in der Tiefe berührt haben…
Gibt es Momente, in denen du an deine Grenzen stößt – und was hilft dir, trotzdem weiterzumachen?
Ich bin gut vorbereitet, auf diese Aufgabe. Ich habe eine relativ dicke Haut. Wenn du jahrelang Führungskraft bist, dann bist du es auch gewohnt mit schwierigen Situationen und Menschen umzugehen – was das angeht, würde ich nicht sagen, dass ich schon mal an eine Grenze gestoßen bin.
Wo ich wirklich mit mir kämpfe, sind Situationen, in denen das Team in Ungarn an Grenzen stößt. Wir hatten mal einen Hund, der war ewig im Tierheim und endlich hatten wir jemanden für ihn gefunden und dann gab es einen Unfall, bei dem er ganz tragisch ums Leben kam…
Das sind Momente, in denen ich gedacht hab „ich weiß nicht, ob ich das kann, diese Nachrichten, dass Hunde leiden oder in einem Zwinger sterben…“ Das ist das mental Härteste für mich, wenn die Station zur Endstation für die Hunde wird. Und bei manchen ist es abzusehen, man sieht „die kommen da nicht raus“. So besondere, oft die liebsten Hunde…
Wie gehst du mit der Ohnmacht oder Traurigkeit um, wenn du nicht allen Tieren helfen kannst?
Ich glaube, man muss sich erlauben, traurig zu sein. Es ist ok, traurig zu sein und es ist wichtig, dass man mit Kollegen spricht, die in derselben Situation sind.
Das ist so wichtig, dass man so einen Halt hat im Team und Menschen, die einen genau verstehen.
Man muss durch eine Trauerphase gehen, um dann den Sprung zu schaffen, dass man wieder fokussiert und Kraft findet in den Fällen, in denen man helfen kann.

Hast du das Gefühl, dass viele Frauen im Tierschutz arbeiten? Nach deiner subjektiven Perspektive: Sind Frauen und Männer hier zu gleichen Teilen vertreten oder überwiegen Frauen oder Männer?
Das kann ich bestätigen – im Tierschutz engagieren sich mehr Frauen als Männer. Tierschutz bedeutet zu geben, zu pflegen und zu umsorgen. Vielleicht liegt das tatsächlich mehr in der Natur oder zumindest im Rollenbild von Frauen als von Männern. Außerdem passiert viel von Tierschutzarbeit im Verborgenen, ohne, dass man viel Anerkennung dafür bekommt. Man muss ein großes Feuer für die Sache in sich tragen und sich selbst motivieren können, ohne von außen viel zu erwarten.
Meine Erfahrung ist tatsächlich, dass Frauen oft Aufgaben in unserer Gesellschaft übernehmen, bei denen man hinter den Kulissen arbeitet.
Was würdest du anderen Frauen sagen, die sich für eine ähnliche Arbeit interessieren, aber noch zweifeln?
Einfach machen! Mein Rat ist, einfach ansprechen und sagen, dass man sich engagieren möchte. Viele denken, die Aufgaben seien übermächtig oder dass sie es mental nicht schaffen. Aber es gibt so viele Aufgaben im Tierschutz und viele sind nicht so mental belastend.
Das sind Aufgaben, die einfach Zeit brauchen: Texte schreiben für die Webseite, Hunde eintragen und so weiter. Und man kann auch sagen: „ich habe so und so viele Stunden in der Woche“, es muss nicht übermächtig werden.
Man muss nicht vor Ort im Einsatz sein, man muss auch nicht Pflegestelle sein, aber etwas zu machen ist immer besser als nichts!
Im Ehrenamt hat man auch super Möglichkeiten zu lernen, ja, auch neue Sachen zu lernen, auch in jeder Lebensphase. Das ist auch eine Möglichkeit, in neue Bereiche reinzuschnuppern, neue Sachen zu lernen. Es ist auch ok, wenn man nicht perfekt ist, weil wir leben ja davon, dass die Leute sich engagieren und gewillt sind zu lernen. Wichtig ist natürlich, dass man zuverlässig ist
Worauf bist du am meisten stolz, wenn du auf deine bisherige Arbeit zurückblickst?
Also ich glaub tatsächlich, dass ich es geschafft habe, Pflegestelle zu sein, weil ich auch einer von denen war, die gesagt hat „Oh, ich kann die nicht wieder abgeben“ und beim ersten Mal ist es auch schief gegangen – den Hund haben wir behalten (lacht).
Jedes Mal, wenn Leute sagen: „Ich könnte das nicht.“ Dann antworte ich: „Doch, könntest du – es ist nur die Frage, ob du bereit dazu bist.“ Mein mentaler Trick ist: Ja, ich weine, fühle mich miserabel und mache mir Sorgen um die Hunde, wenn sie gehen. Aber wenn ich das mit dem Leid der Hunde vergleiche, die im Zwinger bleiben müssten, wenn ich keine Pflegestelle anbiete – gerade bei den großen, schwer vermittelbaren – dann ist klar: deren Leid ist viel größer.
Deshalb bin ich bereit, selbst etwas zu leiden. Es ist wie ich schon gesagt habe: Trauern ist erlaubt, ein bisschen Schmerz auszuhalten auch. Wenn ich mich nur selbst schützen würde, würde ich die Hunde viel mehr leiden lassen – und das möchte ich nicht.
So habe ich schon viele Hunde aufgenommen und wieder abgeben können. Darauf bin ich sehr stolz. Und wenn ich später Nachrichten von den Adoptanten bekomme – manche sind sogar Freunde geworden – freue ich mich riesig. Es ist nicht einfach, aber absolut möglich.
Was war bisher der schönste Moment in deiner Tätigkeit – der dir vielleicht auch zeigt, dass sich alles lohnt?
Wenn man Pflegestelle ist, erlebt man diese besondere erste Phase mit den Hunden aus dem Ausland: Sie können ihr Glück kaum fassen, zum ersten Mal haben sie ein bequemes Leben, sind raus aus dem Zwinger. Dieses Glück mitzuerleben ist jedes Mal faszinierend.
Wer nur eigene Hunde behält, erlebt das vielleicht nur ein paar Mal im Leben – als Pflegestelle darfst du das immer wieder sehen. Du zeigst diesen Hunden, dass es Hoffnung gibt und das Leben schön sein kann. Es ist unglaublich rührend zu sehen, wie sie sich freuen, zum ersten Mal richtig spazieren gehen oder ein eigenes Bett haben. Ihre Augen leuchten, wenn sie merken: Alles bleibt gut, das Bett ist immer noch da. Dieses Glück darfst du so oft erleben, wie du möchtest, solange du Pflegestelle bist.
Es ist einfach wunderschön zu sehen, wie sie zum ersten Mal tief und ruhig schlafen. Nach all dem Lärm in den Stationen können sie endlich entspannen. In Sicherheit und Geborgenheit schlafen sie tief – das berührt das Herz auf eine Weise, wie es nur wenige Dinge können.
Was sind deine nächsten Ziele oder Träume – persönlich und im Tierschutz?
Also ich habe realistische und vielleicht ein bisschen mehr träumerische Ziele, also mein nächstes Ziel ist tatsächlich, dann auch wirklich vor Ort einen Einsatz mitzumachen, dass man wirklich vor Ort alles miterlebt.
Der große Traum wäre, so eine Art kleinen Gnadenhof zu haben für die Langzeitinsassen, dass man immer 3, 4, 5 Hunde haben kann, die da einfach alt werden dürfen, wenn sie nicht adoptiert werden. Und das könnte man dann mit einem veganen Café/Restaurant und Informationsaktivitäten verbinden, sodass man Kinder erreicht, damit Kinder lernen können, wie wertvoll, wundervoll und schützenswert Tiere - auch die „Nutztiere“ - sind…
Wenn du eine Botschaft an die Welt richten könntest – was würdest du sagen?
Ich glaube, das ist tatsächlich der Spruch von Gandhi: Behandle andere so, wie du selbst behandelt werden möchtest - und zwar alle Lebewesen. Dann wäre die Welt wirklich besser, ich glaube dann hätten wir gar keine Probleme.
Das ist wohl das perfekte Schlusswort. Vielen Dank für Deine Offenheit, Malin!