Krebsrisiko durch Antibabypille

WHO stuft Pille als krebserregend ein: Was an den TikTok-Thesen dran ist

Die Antibabypille soll krebserregend sein, wie Tabak. Ein Gynäkologe erklärt, was an den TikTok-Behauptungen dran ist.

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Die Antibabypille ist seit 1961 in Deutschland zum Schutz vor einer Schwangerschaft erhältlich. Seitdem ist viel Zeit vergangen und die Pille ist in Verruf geraten. Immer mehr Frauen äußern sich seit Jahren über Nebenwirkungen wie schlechte Haut, Kopfschmerzen, Übelkeit, unregelmäßige Blutungen und Gewichtszunahme. Auch die Frage, ob die Pille karzinogen, also krebserregend ist, steht seit Jahren im Raum.

Im Juni 2025 wurde TikTok mit Behauptungen überschwemmt, wonach die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Pille als "krebserregend der Klasse 1" eingestuft habe, „wie Tabak, Asbest und Dieselabgase". Stimmt das wirklich?

Kombinationspille enthält krebserregende Stoffe

Um diese Behauptungen der TikToker zu prüfen, müssen wir einen differenzierten Blick auf das Thema werfen. Das ist zunächst mal nicht neu: Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) ist die Krebsagentur der WHO. Sie führt seit 2005 eine Liste mit für den Menschen krebserregenden Stoffen - darunter auch die Pille.

Die Einstufung der Kombinationspille in die Gruppe 1 bedeutet, dass ein gering erhöhtes Risiko besteht“, erklärt Prof. Dr. med. Thomas Römer Chefarzt der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe aus Köln. „Wobei die Studienlage hier sehr heterogen ist, da gerade beim Mammakarzinom sehr viele externe Faktoren eine Rolle spielen. Insofern ist diese Einstufung doch sehr zu relativieren.“ Mammakarzinom ist die medizinische Bezeichnung für Brustkrebs.

Zu den Co-Faktoren zählen laut Thomas Römer:

  • erbliche Veranlagung,

  • das Alter,

  • Rauchen

  • Alkoholkonsum oder

  • eine späte erste Schwangerschaft.

Ist die Pille so schädlich wie Alkohol und Tabak?

Einige TikToker behaupten, die Pille sei mit der Einstufung genauso krebserregend wie der Konsum von Tabak oder Alkohol. Doch das ist eine irreführende Behauptung. „Das Risiko der Kombinationspille für Krebs ist da, aber nicht vergleichbar mit Alkohol oder Rauchen“, sagt Thomas Römer.

Die sogenannte Liste 1 der IARC enthält alle Stoffe, die für den Menschen als krebserregende eingestuft werden. Für diese Stoffe gibt es also genügend wissenschaftliche Beweise. Doch die Liste enthält kein Ranking darüber, welcher der Stoffe nun krebserregender im Vergleich zu anderen auf der Liste ist. Die Stoffe haben also nicht alle das gleiche Krebsrisikoniveau.

Welche Antibabypillen gibt es?

Es wird zwischen zwei Pillenarten unterschieden: Kombinationspillen und Gestagenpillen. Als Wirkstoff enthält die Kombinationspille (Mikropille) ein Östrogen und ein Gestagen. Der Östrogenanteil ist sehr niedrig dosiert. Die Gestagenpille (Minipille) enthält gar kein Östrogen, sondern nur ein Gestagen, das niedrig dosiert ist. Die Minipille hemmt die Ovulation nicht sicher. Bei modernen Gestagen-Monopräparaten, die höher dosiert sind, ist das Gegenteil der Fall.

Positive Auswirkungen der Pille

Eine Studie der Universität Oxford aus dem Jahr 2023 ergab, dass jede Art von hormonellem Verhütungsmittel das Brustkrebsrisiko erhöhen kann. Die Wissenschaftler schätzen, dass die Verwendung der Minipille mit einem "20-30 % höheren Brustkrebsrisiko" verbunden ist.

„Ähnliche Daten aus einer dänischen Studie lagen schon 2017 vor“, erklärt Gynäkologe Thomas Römer. „Da wurde ein erhöhtes Krebsrisiko kombinierter Pillen bei 9 von 100.000 Frauen festgestellt werden.“

Andere Studien, darunter eine Studie der Universität in Aberdeen, Schottland, mit 46.000 Frauen über 44 Jahren, ergaben, dass die Antibabypille positive Effekte hat und das Krebsrisiko bei Gebärmutter-, Darm- und Dickdarmkrebs senken kann. Das liegt vor allem an den enthaltenen Gestagenen. „Eine einjährige Pillenanwendung senkt z.B. das Risiko von Gebärmutterkrebs um bis zu 8 %“, sagt Römer. „Bei Darmkrebs sinkt das Risiko um etwa 40 %.“

Das Fazit

Der Zusammenhang zwischen der Einnahme der Pille und Krebs ist komplex und erfordert einen differenzierten Blick. „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Patientinnen, die die Kombinationspille länger anwenden, ein gering erhöhtes Mammakarzinomrisiko haben, wobei hier Co-Faktoren eine Rolle spielen“, erklärt Gynäkologe Römer. „Andererseits kann die Pille vor anderen häufigen Karzinomen, wie Ovarial-, Endometrium- und Colonkarzinom schützen.“

Thomas Römer im weißen Arztkittel. - Foto: Privat
Unser Experte

Prof. Dr. med. Thomas Römer ist Chefarzt des Evangelischen Klinikum Köln Weyertal, das zum Uniklinikum Köln gehört. Seine Schwerpunkte sind MIC III, Gynäkologische Onkologie, Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin. Er ist außerdem Leiter des Endometriosezentrums.

Quellen

Artikelbild und Social Media: istock/SeventyFour