Wie bitte?!

Alles richtich? Lehrer sollen keine Rechtschreibfehler mehr zählen!

Es ist der Hammer aus dem Norden: In der Schule sollen keine Rechtschreibfehler mehr gezählt werden.

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Das Bundesland Schleswig-Holstein will das Zählen von Rechtschreibfehlern in der Schule über Bord werfen. Das dürfte manche sehr freuen, andere sorgen sich jedoch um die Zukunft.

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Keine Rechtschreibfehler mehr zählen in Schleswig-Holstein: Dann soll es gelten!

Es ist Deutschklausur im schleswig-holsteinischen Abi und keiner achtet mehr auf die Rechtschreibung. So soll es künftig im nördlichsten Bundesland der Republik zugehen - und auch darunter liegende Jahrgänge müssen bei Aufsätzen keine Angst mehr haben, deswegen eine schlechtere Note zu bekommen. Gelten sollen die neuen Regeln ab dem kommenden Schuljahr.

Stattdessen sollten Schüler eine "qualitative Rückmeldung erhalten über Fehlerschwerpunkte und über die Systematik ihrer Fehler", wie es heißt. Das bedeutet, dass sie zwar wissen sollen, dass etwas nicht richtig war und warum, aber dieser Teil soll nicht mehr in die Note einfließen.

Die dortige Bildungsministerin Karin Prien von der konservativen Partei CDU sagt hierzu am Dienstag (10.04.2024): "Basis ist ein differenzierter Analysebogen, den das Ministerium aktuell entwickelt und den Lehrkräften zum neuen Schuljahr zur Verfügung stellt. Unabhängig davon bleibt die Bewertung der Rechtschreibung und Zeichensetzung weiterhin wichtiger Bestandteil der Note. Die Vermittlung von Rechtschreib- und Zeichensetzungskompetenz bleibt weiterhin zentral."

Doch nach Recherchen der "Bild" ist das nicht nur im Norden der Fall - in anderen Bundesländern wurde die Fehlerzählerei schon längst abgeschafft.

Bayern, Sachsen & NRW: Unionsgeführte Länder ohne Rechtschreibzählen

In weiteren unionsgeführten Bundesländern wie Bayern, Sachsen und Nordrhein-Westfalen ist das Fehlerzählen demnach Geschichte. Das sächsische Bildungsministerium äußerte sich gegenüber dem Boulevard-Blatt wie folgt: "Den Fehlerquotienten für die Rechtschreibung gibt es schon seit Jahren nicht mehr. Das System hat sich als untauglich vor allem für die Lehrer herausgestellt, die seinerzeit mühsam Wörter zählen mussten, um den Quotienten zu ermitteln. Allerdings gilt im Freistaat nach wie vor die Regel, konsequent auf die Qualität der Rechtschreibung zu achten und fehlerhafte Orthografie und Grammatik zu bewerten." Sollten die Fehler gravierend sein, könnte um bis zu zwei Noten runtergegangen werden.

Expert*innen sind nicht einig - sie jubeln und schäumen: Bahnt sich ein Rechtschreibstreit an?

Wie bei vielen Themen gibt es heutzutage immer sehr konträre Meinungen in der Debatte. Lehrer-Präsident Stefan Düll hat an der Idee nichts auszusetzen, wie er der "Bild" mitteilte: "Die Streichung des Fehlerquotienten ist kein Problem, wenn weiterhin gezielt eine korrekte Rechtschreibung von klein auf gelehrt und eingefordert wird. Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit sind daher weiterhin zu kennzeichnen und auch angemessen in die Bewertung einzubeziehen."

Auch der Vorsitzende der Hamburger Gymnasialschullehrervereinigung (VLHGS) Christian Gefert findet das Vorgehen nicht falsch, wie die Zeitung berichtet: "Der richtige Schritt. Der sprachliche Ausdruck macht sich nicht allein daran fest, sich ganz ohne Fehler auszudrücken. Beispiel: Ein Zeichensetzungsfehler kann die Bedeutung eines ganzen Satzes verschieben oder aber nur schlicht ein fehlendes Komma sein. Natürlich müssen wir Fehler weiter anstreichen, aber wir müssen sie auch im Hinblick auf ihre Bedeutung gewichten."

Eine Expertin, die die Sache etwas anders wahrnimmt, ist Kirsten Schmöckel, ihres Zeichens Landesvorsitzende des Philologenverbands. "Die Abschaffung des Fehlerquotienten darf nicht dazu führen, dass die Schüler den Eindruck gewinnen, dass Rechtschreibregeln und Grammatik im späteren Berufsleben keine Rolle spielen", sagte sie den "Kieler Nachrichten".

Aus der Wirtschaft kommt hingegen eine Stimme, die der ganzen Sache nichts abgewinnen kann. Der schwäbische Unternehmer Wolfgang Grupp aus Burladingen von der Bekleidungsfirma "Trigema" kann da nur den Kopf schütteln. Der "Bild" erklärt er: "Wir dürfen uns nicht beschweren, dass folgende Generationen keine Leistung mehr bringen wollen, wenn wir sogar schon bei der Rechtschreibung nachgeben. Wir bewerten Bewerber schon nach dem Anschreiben. Wenn da einer viele Fehler drin hat, dann fliegt er aus der Auswahl. Das ist ein Manko für den Einzelnen – da verbaut man den Kindern doch die Zukunft."

Artikelbild und Social Media: wernerimages/iStock (Themenbild)