So erkennst du es!

Liebe oder Gewohnheit?

Liebe oder Gewohnheit? Warum bleiben einige Paare zusammen, warum trennen sich andere? Welche Entscheidung ist für dich richtig? Folgende Überlegungen helfen.

Ist es noch Liebe oder schon die Gewohnheit?
Ist es noch Liebe oder schon die Gewohnheit? Foto: i-Stock
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Vor allem in langjährigen Beziehungen gibt es Momente oder Phasen, in denen die Partnerschaft hinterfragt wird. Wo einer oder beide sich überlegen: Soll es das jetzt sein? Geht es immer so weiter in diesem Trott? Und wo sind unsere Spontaneität und Leidenschaft geblieben, die sich nur noch selten hinterm Ofen vorlocken lassen? Manche fragen sich auch: Bin ich nur noch aus Gewohnheit in dieser Verbindung, weil es irgendwie praktisch und vertraut ist? Familientherapeutin Marthe Kniep erklärt, warum es durchaus in Ordnung ist, sich entspannt durch den Beziehungsalltag bewegen und wann es vielleicht doch zu „gewöhnlich“ zwischen beiden geworden ist.

Zurück zum Ex, ja oder nein? (Artikel geht unter dem Video weiter): 

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Video: Glutamat

Entscheidend ist die Zufriedenheit

Bevor jemand versucht, seiner Beziehung den Stempel „Gewohnheit“ oder „Liebe“ zu geben, ist vor allem die Antwort auf die Frage wichtig: Womit bin ich zufrieden? Denn es gibt Menschen, die haben sich aneinander gewöhnt, leben ihren Alltagstrott und können trotzdem von sich sagen, dass sie als Paar zufrieden sind. Wer will ihnen das absprechen? Für andere wäre das vielleicht schwer vorstellbar. Sie haben andere Ansprüche an die Begegnungen und an das, was in ihrem gemeinsamen Leben stattfinden soll, damit es sich gut anfühlt. Entscheidend ist bei der Eingangsfrage also, wie es um die persönliche Zufriedenheit steht und wie es beim Partner damit aussieht. Was andere darüber hinaus machen, sollte hier nebensächlich sein.

Manchmal schwankt man jedoch und ist unsicher, ob das Fahrwasser vielleicht nicht doch zu seicht geworden ist. Vor allem in Langzeitbeziehungen. Dann wird nicht selten eine Stimme hörbar, die fragt: Reicht mir das noch?  Der Moment ist kritisch und braucht die Auseinandersetzung mit der Situation, dem eigenen Anteil daran und dem des Partners, um zu schauen, ob man aus dieser als Tal wahrgenommenen Situation noch zusammen rauskommt.

Was sind ungute Gewohnheiten?

Deutliche Anzeiger dafür, dass die Gewohnheit nicht als angenehm empfunden wird, ist die Häufung folgender Gedanken:

  • Muss ich da heute wieder mit?
  • Insgeheim langweilen mich die Gespräche
  • Das kenn ich doch irgendwie schon alles
  • Wann hat er mir eigentlich das letzte Mal ein wirklich nettes Kompliment gemacht …?
  • …Und wann ich ihm?
  • Ich bin froh, wenn er heute später kommt und ich noch etwas meine Ruhe habe …
  • Nicht schon wieder …!
  • Was meine Freundin gerade macht, finde ich viel spannender
  • Huch, der neue Typ in der Firma kam in meinem herrlichen Traum heut Nacht vor
  • Die am Nachbartisch haben ja echt viel Spaß (im Gegensatz zu uns)
  • Ich kann's nicht mehr hören!
  • Was hat er gesagt? Ich hab nicht richtig zugehört.
  • Jetzt macht er wieder dieses Gesicht ….
  • Dieses Schweigen fühlt sich irgendwie komisch an
  • Ich würde mich gern mit ihm unterhalten. Aber worüber?
  • Soll ich ihm das wirklich vorschlagen? Der hält mich für verrückt
  • Wann haben wir eigentlich das letzte Mal gekuschelt?
  • Klar, dass er beim Sex wieder nur … will
  • Sein Geiz ist nicht mehr auszuhalten, wenn es um gemeinsame Dinge geht
  • Abhauen wäre auch schön

Vorteile von Gewohnheit

Wichtig zu wissen ist jedoch bei all diesen Hinweisen auf möglicherweise zu viel Gewohnheit, dass etwas Alltagstrott sehr wohl angenehm sein kann und früher oder später in jeder Beziehung mehr Raum einnimmt. Das ist ein ganz normaler Prozess, der unter anderem damit zu tun hat, dass man sich über die Zeit gut aufeinander eingestellt hat und viele Fragen geklärt sind.

Auch der Sex darf auf gewisse Weise einem bewährten Ablaufschema folgen, wenn beide wissen, dass sie es so am liebsten haben. Die Neugierde auf den anderen und all seine Facetten muss sich ja nicht zwingend im Bett abspielen. Für manch einen ist stattdessen Intimität und Vertiefung im Gespräch sehr aufregend, beim Sport oder auf gemeinsamen Reisen.

Keine Kurzschlussentscheidungen

Bevor also aus Angst vor Gewohnheit vorschnell die Beziehung beendet wird, ist es deshalb wichtig zu schauen, was ich selber an meiner Unzufriedenheit ändern kann. Wo ich selber frischen Wind in mein Leben bringen kann, der vielleicht auch nebenbei meine Beziehung etwas durchpustet.

Lange Beziehungen sind schließlich keine Selbstgänger, sondern bedürfen guter Pflege. Wie eine Pflanze. Sie braucht auch ab und zu etwas Dünger, neue Erde, vielleicht auch einen Ortswechsel zum Wachsen und reifen. Manchmal müssen auch ein paar alte Triebe gekappt oder zurückgeschnitten werden, damit die Kraft in die neuen und fruchtbaren Teile geht. Hier kommt es drauf an, wieder mehr Kreativität zuzulassen und zu entwickeln, wie genau diese Pflege der Partnerschaft aussehen könnte.

Beziehung pflegen

Wenn beide Partner bereit sind, die Gärtner für ihre Beziehung zu sein, dann kann sich jeder mal eine Zeit lang in dem Teil der Gewohnheit ausruhen, der von selber laufen darf, bis die Beziehung mal wieder etwas mehr Aufmerksamkeit braucht, weil eine neue Jahreszeit begonnen hat. Wer keinen grünen Beziehungsdaumen hat, kann in einer Paartherapie etwas dazulernen. Aber oft reicht es schon, sich selber einen Schubs zu geben und sich mal wieder gut um sich selber zu kümmern. Das färbt immer positiv auf die Beziehung ab.

Um in der botanischen Sprache zu bleiben ist es aber auch so, dass manchmal der Ballen geteilt und umgepflanzt werden muss, damit beide Teile wieder Luft und Raum zum Wachsen haben. Das geht bei Stauden, aber nicht bei Eichen.

Die Natur macht uns oft vor, was für weiteres Wachstum die besten Bedingungen sind. Und wir Menschen sind schließlich auch Natur. Es macht deshalb Sinn, mal in sich reinzuhören, welche Pflanze möglicherweise den eigenen Wesen entspricht und in welcher Entwicklungsphase man sich und auch den Partner gerade erlebt. Dann braucht man „nur noch“ seinen Bedürfnissen zu folgen, damit sich das Leben, das man führt, wieder gut anfühlt.   

Autorin: Marthe Kniep