Barbie Vagina: Warum viele Frauen eine Schamlippenverkleinerung wollen
Warum entscheiden sich Frauen für eine Schamlippenverkleinerung? Woher kommt der Trend zur Barbie-Vagina? Darum warnen Gynäkolog*innen vor der Barbie Vagina.

Über 95.000 Eingriffe zur Korrektur der Schamlippen wurden laut der Internationalen Gesellschaft für Ästhetische und Plastische Chirurgie (kurz ISAPS) allein im Jahr 2015 vorgenommen. Zwischen 2015 und 2016 gab es einen Anstieg von 39 Prozent (vgl. S. 231, "Vagina-Bibel" von Jen Gunter). Mittlerweile spricht die ISAPS von weltweit jährlich 150.000 Operationen an der Vulva (vgl. S. 29 f., "Das große Gynbuch" von Mandy Mangler). Ja genau – es werden immer mehr!
Besonders die sogenannte Barbie Vagina hat es den Frauen angetan – bei der Puppe sind keine inneren Schamlippen zu sehen, im Schritt befindet sich lediglich ein kleiner Strich. So sieht natürlich keine Vagina im realen Leben aus. Trotzdem sehnen sich immer mehr Frauen nach dem plastischen, unrealistischen Intimbereich. Warum dieser besorgniserregende Trend so problematisch ist, verraten dir verschiedene Gynäkolog*innen im Artikel.
Vagina-Schönheitsoperation: Wieso lassen sich Frauen an den Schamlippen operieren?
Bei der Operation zur Barbie Vagina entscheidet sich frau dafür, sich die Schamlippen – meist die inneren – verkleinern zu lassen. Natürlich gibt es auch Frauen, die sich aus medizinischen Gründen die Schamlippen operieren lassen. Wenn Schmerzen durch Reibungen den Alltag behindern, kann ein Gespräch über dementsprechende Eingriffe durchaus sinnvoll sein.
Bei anderen Frauen sind die Gründe für eine Schamlippenverkleinerung rein ästhetischer Natur. Die Ursachen dahinter lassen sich nur vermuten – zum Beispiel, dass das Internet eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der steigenden Operationszahl spielt. Denn dort sind massenhaft nackte Frauenkörper zu sehen. Eigentlich mag man meinen, dass dadurch eine gewisse Diversität entsteht, die wiederum das Selbstbewusstsein der Frauen stärkt – doch oftmals ist eben doch das Gegenteil der Fall und Photoshop und Co. tragen den Rest zur Unsicherheit einer jungen Frau bei.
Außerdem verdienen Plastische Chirurg*innen "viel Geld mit der Unsicherheit in Bezug auf die Genitalregion, die sich aus dem unrealistischen Bild der Vulva in den – vor allem pornografischen – Medien speist", verdeutlicht die Gynäkologin Prof. Dr. Mandy Mangler (vgl. S. 29 f., "Das große Gynbuch").
Sie beschreibt den Anstieg der Zahlen wie folgt: "Laut dem Deutschen Ärzteblatt sind Eingriffe an der Vulva, die rein aus ästhetischen Gründen vorgenommen werden, die schönheitschirurgischen Operationen mit der dritthöchsten Wachstumsrate" (vgl. S. 31, "Das große Gynbuch"). "Oft werden diese Eingriffe als harmlos dargestellt, die Folgen können aber schwerwiegend sein", betont Mangler.
"Erstaunlich ist auch, wenn Frauen sagen: 'Ich möchte eine straffe Vulva / Vagina.'", schreibt Mangler (vgl. S. 29 f., "Das große Gynbuch"). "Denn die gibt es nicht. Bereits die Organe junger Frauen haben Runzeln, Rillen und Falten; später altern Vulva und Vagina natürlich genauso wie andere Organe auch. Je nach den momentanen Östrogenwerten im Körper werden sie zudem mehr oder weniger durchblutet", betont die Expertin.
Barbie Vagina: Patriarchale Einflüsse und Doppelstandards
Solltest du wirklich darüber nachdenken, ob du eine "Barbie Vagina" brauchen könntest, stelle dir vorher lieber erstmal die Frage, warum? Männer wollen ja untenrum schließlich auch nicht aussehen wie Ken, oder?
Bei genauerem Nachdenken leider wenig überraschend, und dennoch verärgernd: "Ob eine Operation empfohlen wird, hängt übrigens von Geschlecht und Spezialisierung der Behandler ab", teilt Dr. med. Jen Gunter ihre Beobachtungen (vgl. S. 234, "Vagina-Bibel"). Plastische Chirurgen ließen sich demnach eher auf eine Schamlippenverkleinerung ein als Gynäkologen, Männer eher als Frauen. Männern eine Penisreduktion vorzuschlagen, würde diesen Chirurgen sicher nicht einfallen (vgl. S. 234, "Vagina-Bibel" von Jen Gunter).
Was sind die Risiken einer Labioplastik?
Eine Schönheits-OP des Intimbereichs birgt weitreichende Risiken – vor allem in Bezug auf dein Sexleben: "Gesundes Gewebe im Bereich von Vulva und Vagina zu entfernen, birgt aber immer die Gefahr, dass Nerven durchtrennt werden und taube Stellen entstehen", warnt Prof. Dr. Mangler (vgl. S. 29 f., "Das große Gynbuch"). Denn dabei könne es zu Narben, Verwachsungen, Infektionen oder einer veränderten Sensibilität kommen. Dadurch "können Orgasmen unter Umständen schwerer entstehen oder ganz ausbleiben. Narbengewebe kann taub sein, Berührung dann nicht mehr so intensiv wahrgenommen werden", schildert die Gynäkologin den Sachverhalt.
"Oft wird während der Operation an den inneren Vulvalippen auch die Klitorisvorhaut operiert", erklärt Mangler. "Klitorisvorhautreduktion wird das genannt. Dabei entstehen auf der Klitoris Narben, die ebenfalls die Orgasmusfähigkeit verändern können" (vgl. S. 29 f., "Das große Gynbuch").
Was sagen andere Gynäkolog*innen zur Schamlippenverkleinerung?
In Fachkreisen hat der Eingriff den Namen Labioplastik. Mittlerweile gibt es sogar eine Leitlinie zur Schamlippenkorrektur: Die "S2k-Leitlinie Rekonstruktive und Ästhetische Operationen des weiblichen Genitales" der Deutschen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie e.V. (DGPRÄC) enthält entsprechende Vorschriften.
Viele Gynäkolog*innen stehen dem Trend kritisch gegenüber. Wir haben mit Dr. med Christian Albring über Schamlippenkorrekturen gesprochen, ehem. Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte und niedergelassener Frauenarzt in Hannover.
Schamlippenverkleinerung - Was halten Sie persönlich davon?
"Operationen an den Schamlippen können aus medizinischen Gründen notwendig werden, zum Beispiel bei einer Krebserkrankung. Was solche Operationen aus rein ästhetischen Gründen angeht, so gilt dasselbe wie für alle Schönheitsoperationen: Es handelt sich nicht um eine medizinisch notwendige Maßnahme, und niemand kann dafür garantieren, dass das Ergebnis wirklich den Erwartungen entsprechen wird, vor allem kann niemand der Frau garantieren, dass das, was sie sich von der Operation erwartet - nämlich zum Beispiel ein befriedigenderes Sexualleben - wirklich eintreffen wird."
Wie begegnen Sie Patientinnen, die sich eine Schönheits-OP im Intimbereich wünschen?
"Viele Frauen haben keine Vorstellung davon, dass es natürlich und sinnvoll ist, dass die inneren Schamlippen länger sind als die äußeren. Sie dienen dem Verschluss des Scheideneingangs und somit dem Schutz vor Fremdkörpern - zu Zeiten als Menschen noch nackt umherliefen.
Das Labienaussehen war noch vor kurzem nicht so wichtig, weil die Intimbehaarung normalerweise den Schamhügel und die Ansicht der Schamlippen verdeckte. Als Folge der vollständigen Rasur des Intimbereichs setzen sich viele Frauen und manchmal auch ihre Partner mit dem Aussehen ihrer Schamlippen intensiver auseinander; manchmal regt auch ein Vergleich mit Fotos oder Filmen aus dem Erotikbereich dazu an.
Manche Mädchen und Frauen fragen, ob das Aussehen ihres Intimbereichs normal ist, und wenn ich ihnen das - auch anhand von Bildmaterial - versichere, sind sie oft beruhigt und lassen den Gedanken an eine chirurgische Veränderung fallen.“ Schamlippenkorrekturen seien Operationen, die meist aus einer falschen Vorstellung heraus vorgenommen werden.
Sollte sogar vor Vagina-Operationen gewarnt werden?
"Aus medizinischer Sicht sind die Risiken einer Schamlippenverkürzung im Prinzip überschaubar, allerdings entstehen Narben, die beim Verkehr schmerzen können, da Narbengewebe nicht der eigentlichen Hautstruktur entspricht. In den Wochen nach der Operation sind schmerzhafte Schwellungen häufig und manchmal auch Entzündungen, die aber normalerweise abklingen. Es können aber auch wulstige Veränderungen an den Narben auftreten, also eine optisch ungünstige Veränderung. Narben können auch dauerhaft Schmerzen beim Sitzen, beim Radfahren oder beim Reiten verursachen, und kein Operateur kann versichern, dass er solche Folgen definitiv ausschließen kann."
Quellen
Prof. Dr. Mandy Mangler: Das große Gynbuch. Selbstbewusst für den eigenen Körper entscheiden. Sex, Zyklus, Wechseljahre aus weiblicher Sicht neu verstehen. Krankheiten erkennen und therapieren. Suhrkamp Verlag: 1. Auflage (2024). 496 Seiten.
Dr. med. Jen Gunter: Die Vagina-Bibel. Vulva und Vagina – Mythos und Wirklichkeit. Südwest Verlag: 1. Auflage (2020). 478 Seiten.