Familienprobleme

Kindesmissbrauch: Daran erkennst du, ob ein Kind missbraucht wurde

Woran erkennt man, dass ein Kind sexuell missbraucht wurde? Es gibt eindeutige Anzeichen, die auf einen Missbrauch von Kindern hindeuten.

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Laut Angaben des Bundeskriminalamtes wurden allein im Jahr 2014 ganze 12.134 Fälle von Kindesmissbrauch angezeigt. Das macht 33 Kindesmissbräuche pro Tag - allein in Deutschland. Hinzu kommen noch Fälle, die nicht angezeigt werden, weil keine Anzeige erstattet wird oder der Kindesmissbrauch gar nicht erst erkannt wird. Die Dunkelziffer ist Experten zufolge hoch. 

Doch woran erkennst du einen Missbrauch, um schneller helfen zu können? 

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Täter manipulieren Kinder, um sie zu missbrauchen

Sexueller Kindesmissbrauch ist immer eine erzwungene Handlung. Das Kind kann sich nicht wehren, der Täter nutzt seine körperliche, soziale, psychische Überlegenheit gegenüber dem Kind aus. Dabei nutzen die Täter vor allem folgende Arten, das Kind zum Missbrauch zu bewegen, es zu manipulieren:

  • Überredung / Bestechung (z.B. durch Geschenke, Versprechen)
  • Drohung (z.B. Liebesentzug, Strafen)
  • Lügen (z.B. "Alle Onkel / Väter machen das so.")
  • gewaltsame Vergewaltigung (das Kind ist immer körperlich schwächer und kleiner als der Täter)
  • spielerische Tricks (z.B. "Komm, wir spielen nackt.")

Der Missbrauch von Kindern beginnt häufig mit scheinbar zufälligen Berührungen und Streicheln an Sexualorganen des Kindes, sexualisierter Sprache, starrenden Blicken auf erogene Zonen, scheinbar spielerischem Verhalten bis hin zu sexuellen Übergriffen, wie etwa der Ermutigung zum Oralverkehr und / oder der Penetration des Kindes oder Täters.

Die Verantwortung von sexuellem Missbrauch an Kindern trägt immer der Täter. In über 90 Prozent der Fälle sind die Täter Männer. Potenzielle Opfer sind neben Jugendlichen und Schulkindern auch Kleinkinder und sogar Säuglinge.

Juristisch gilt Missbrauch als Straftat. Allerdings liegt die Höchststrafe bei gerade mal 10 Jahren Freiheitsentzug. Die entsprechenden Gesetze sind im Strafgesetzbuch einzusehen:

Jedes Kind reagiert anders auf Missbrauch

Mädchen und Jungen haben Angst, über erlebten Missbrauch zu sprechen. Vor allem Kleinkinder unter vier Jahren haben noch Probleme damit, einen Missbrauch in Worte zu fassen. Zudem setzen die Täter Kinder häufig unter Druck, mit niemandem über den Missbrauch zu sprechen. Intuitiv wissen Kinder dennoch, dass das, was ihnen geschieht, nicht richtig ist.

Wenn Kinder über ihren Missbrauch doch sprechen, wird ihnen in vielen Fällen nicht geglaubt. Statista hat aus dem Jahr 2015 ermittelt, wer die Täter tatsächlich sind. Das Ergebnis ist erschreckend: In 70 bis 90 Prozent der Missbrauchsfälle ist der Täter eine dem Kind bekannte männliche Person - meist der Onkel, Vater, Stiefvater (oder neuer Partner der Mutter), (Stief-)Bruder, Nachbar, Trainer, Babysitter, Geistlicher oder Freund der Familie.

"Wenn Kinder von sich aus ­einen Missbrauch schildern, lügen sie nicht", weiß Psychotherapeutin Carmen Osten vom Kinderschutzbund in München. Dem Kind zu glauben, was es erzählt, ist immer die bessere Option - ganz gleich, wie vertrauensvoll die beschuldigte Person auch sein mag.

"Es gibt leider keine eindeutigen Signale für sexuellen Missbrauch. Jedes Kind rea­giert anders darauf", sagt der Kinder- und Jugendpsychiater Jörg Fegert von der Universität Ulm. Hinweise kann man dennoch erkennen, etwa wenn ein Kind plötzlich sein Verhalten radikal ändert, auffällig wird.

Kindesmissbrauch: Das sind die körperlichen Symptome

In vielen Fällen tragen Kinder keine sichtbaren körperlichen Folgen von sexuellem Missbrauch davon. Denn oft werden sie zu einer sexuellen Handlung psychisch gedrängt, erpresst, bestochen o.Ä., sodass der Täter nicht handgreiflich werden muss, um das Kind zu missbrauchen. Die kindliche Unwissenheit bzw. die Zuneigung des Kindes wird vom Täter ausgenutzt.

Wird der Täter bei einem Missbrauch trotzdem handgreiflich, weisen missbrauchte Kinder folgende körperliche Symptome auf:

  • Hämatome im Genitalbereich und an der Innenseite der Oberschenkel
  • Blutungen, Risse, Rötungen, Bissspuren an Vagina, After, Penis, Hoden
  • Ungewohnte Dehnungen der Vagina bzw. des Afters
  • Schmerzen im Genital- und / oder Afterbereich
  • Geschlechtskrankheiten (u.a. Pilzinfektionen, Ausfluss)
  • Schwangerschaft

Hinzu können psychosomatische Symptome bei dem missbrauchten Kind auftreten, wie etwa:

  • plötzliche Schlaf- und / oder Sprachstörungen
  • auf einmal wiederkehrendes Bettnässen / Einkoten
  • Verdauungsstörungen
  • ungewöhnliches Hygieneverhalten (entweder übertrieben - zwanghaftes Waschverhalten - oder vernachlässigt)
  • Verspannungen
  • plötzliche Hauterkrankungen (z.B. Neurodermitis, Ausschläge, Juckreiz, Sonnenallergie)
  • Asthma
  • Kreislaufbeschwerden (bis hin zur Ohnmacht)
  • Migräne / Kopfschmerzen
  • plötzlich auftretende Bauchschmerzen (ohne erklärbare Ursache)
  • Esssucht (mit dem Ziel, sich für Täter unattraktiv zu machen)
  • Magersucht, Bulimie (um gegen die weiblichen Rundungen anzukämpfen; sich "unsichtbar" zu machen)
  • Hormonstörungen (z.B. vorzeitige Schambehaarung) bis hin zu sexueller Dysfunktion

Psychische Symptome von Kindesmissbrauch

  • plötzliche Ängste bis hin zu Panikattacken und Phobien (vor allem in engen Räumen oder vor Autoritätspersonen)
  • längere Konzentrationsstörungen
  • Beziehungsschwierigkeiten, Kontaktstörungen zu Mitmenschen
  • extreme Schamgefühle (v.a. beim An-, Aus-, Umziehen) und Berührungsängste
  • Schuldgefühle und negatives Selbstbild
  • Ablehnung der eigenen Geschlechterrolle
  • Unruhe, Unsicherheit oder ausgeprägte Wut
  • Depressionen
  • übertriebenes Anpassungsverhalten
  • in die Opferrolle verfallen
  • Abspaltung von eigenen Gefühlen (bis hin zu Schizophrenie)
  • Flashbacks, also plötzliche Erinnerungen (begleitet von Angst, Zittern, Weinen)
  • Albträume
  • verstärkte Abwehrmechanismen (Verdrängung, Verleugnung, Bagatellisierung)
  • extreme Verhüllung des Körpers in weiter Kleidung
  • extremes Leistungsverhalten (Verstärkung der "Ich"-Stärke)
  • Sexualisierung von sozialen Beziehungen
  • exzessive, altersunangemessene sexuelle Neugierde, Frühreife
  • sexueller Identitätsverlust (vor allem bei missbrauchten Jungen; Angst davor, homosexuell zu sein) sowie abwertendes Verhalten gegenüber Homosexuellen
  • bei Jugendlichen: Entwicklung eines Suchtverhaltens (Alkohol, Cannabis etc.)

So ändert sich das soziale Verhalten eines missbrauchten Kindes

  • veränderte Ausdrucksweise: Sagt ein Kind Sätze wie "Soll ich mal einen Knochen aus meinem Pimmel machen?", kann das Kind diese von dem Täter übernommen haben. Aber auch hier ist Vorsicht geboten. Es gilt: Das Kind darauf ansprechen ("Woher hast du diesen Satz?"). Denn es könnte ja auch einen pornografischen Film angesehen haben (z.B. bei älteren Geschwistern, Freunden, ausversehen im Internet etc.)
  • Sprachstörungen (z.B. Stottern oder Schweigsamkeit) und / oder Lernstörungen
  • Kind verliert sein Vertrauen gegenüber Bezugspersonen (Misstrauen) - oder klammert sich an eine bestimmte Person, sucht ständig nach Liebe (bis hin zu Beziehungssucht)
  • scheinbar grundloses Weinen
  • Flucht in eine Phantasiewelt
  • verändertes / sexualisiertes Spielverhalten
  • Rückzug aus sozialem Umfeld (bis hin zur Isolation und Vereinsamung) / Kind wird still und verschlossen
  • Aggressionen gegenüber anderen Kindern und / oder Tieren
  • extremes Machtstreben / Ausübung von Kontrolle
  • Kleinkriminalität (z.B. durch Stehlen, Zündeln, Brandstiftung)
  • autoaggressives Verhalten (z.B. Nägelkauen, Daumenlutschen, Haare ausreißen, Selbstverletzungen bis hin zu Selbstmordversuchen)
  • regressives Verhalten (Opfer verhält sich wieder wie ein Kleinkind)
  • bei Kindern: Zeichnen von Genitalien wie z.B. Penissen
  • Meidung bestimmter Menschen oder Menschentypen
  • Meidung bestimmter Orte
  • Offene Masturbation / Zurschaustellung eigener Genitalien
  • Ablehnung von Masturbation
  • extreme Furcht vor Fremden (i.d.R. wenn das Kind von einem Fremden missbraucht wurde)
  • bei Schulkindern und Jugendlichen: Tendenzen von zu Hause wegzulaufen und / oder die Schule zu schwänzen

Da jedes Kind individuell auf Missbrauch reagiert, können die oben aufgelisteten Symptome zwar Anzeichen für Missbrauch sein. Allerdings können sie auch andere Ursachen haben - vor allem, wenn sie nur vereinzelt auftreten.

Befürchtet man sexuellen Missbrauch bei Kindern, sollte man dringend professionelle Hilfe in Anspruch nehmen und Ratschläge einholen. Sowohl Kinderärzte, also auch Psychotherapeuten und Betreuer in speziellen Beratungsstellen können erste Ansprechpartner für Betroffene und Angehörige sein. Hier bekommen betroffene Kinder und Eltern Hilfe sowie weitere Informationen zum Thema Kindesmissbrauch:

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