Charisma lernen?

Ausstrahlung: So kannst du deine Wirkung auf andere verbessern

Ausstrahlung! Ein Zauberwort, das uns viele Türen öffnen kann. Aber wie wirke ich überhaupt auf andere und kann ich meine Wirkung und mit ihr meinen Kontakt zu anderen Menschen beruflich wie privat vielleicht auch verbessern? Karriere-Coach Heidi Stopper gibt im Interview mit Wunderweib Antworten und Tipps.

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Liebe Heidi, was ist wichtiger: Meine Körpersprache oder das, was ich sage?

Es gibt viele Untersuchungen, die sich alle ungefähr einig sind: Zwischen 70 und 90 Prozent unserer Wirkung ist nonverbal. Das Verbale, also das, was wir sagen, macht den geringsten Anteil unserer Wirkung aus. Wie wir die Stimme modulieren, Lachen wir an der richtigen Stelle, schauen wir die Leute an, signalisiert unsere Körpersprache an der richtigen Stelle Stärke oder Zurückhaltung… all diese Dinge sind in der Summe viel wichtiger als das, was wir sagen.

Die gute Nachricht ist, man kann das üben und sich damit gleichzeitig positiv beeinflussen. Wir können nicht nur mit unseren Gedanken unsere Körperhaltung beeinflussen, sondern auch umgekehrt unsere Gedanken mit unserer Körperhaltung. Wenn wir also zum Beispiel lernen, bestimmte selbstbewusste Positionen einzunehmen, werden wir dadurch auch selbstbewusster.

Wie kann ich meine Wirkung auf andere zuverlässig einschätzen?

Sich selbst zu beobachten wird schwer, denn ca. 80 Prozent von dem, was wir senden, passiert unbewusst. Nur ca. 20 Prozent unserer Wirkung läuft bewusst ab, die anderen Signale, die wir senden, also Körpersprache, Mimik etc. passieren unbewusst. Und da kann ich so viel in mein Bewusstsein reinhören, wie ich will, was unterbewusst abläuft, kann ich trotzdem nicht selbst reflektieren. Das ist wie ein Blindspot: Wir senden die ganze Zeit Signale, die von unserem Gegenüber wahrgenommen und interpretiert werden und oft realisieren wir nur einen Bruchteil der Signale, die wir senden, und auch die Interpretationen unseres Gegenübers bleiben uns überwiegend verborgen.

Es aber wichtig darüber nachzudenken, wie man gerne wirken möchte – auch darüber, ob man in unterschiedlichen Kontexten verschieden wirken möchte. Und wenn man seine Wirkung bewusst einsetzt und das vor allem auch übt, kann man sie auch beeinflussen und gestalten.

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Was kann ich also tun?

Das Einzige, was man tun kann, um seine Wirkung auf andere zuverlässig einzuschätzen, ist nachzufragen. Man will natürlich nicht jeden fragen, aber beispielsweise im Freundeskreis oder auch im Arbeitsumfeld kann man sich Rückmeldungen geben lassen. Seine Wissenslücken in Bezug auf die eigene Außenwirkung kann man wirklich nur durch Feedback anderer schließen.

Seine unbewussten Wirkungen kann man erfahren, indem jemand anderes einem quasi den Spiegel vorhält und ins Bewusstsein bringt, was bei uns selbst unterbewusst abläuft. Und dann kann man entscheiden: Das ist eine schöne Wirkung, das möchte ich auch ausstrahlen. Manchmal ist man aber auch erschreckt über die Signale, die man aussendet. Es kommt durchaus vor, dass wir eine Außenwirkung entfalten, die wir gar nicht ausstrahlen wollen – und gerade in dem Fall ist es besonders wichtig zu erfahren, welches Signal von einem selbst diese Interpretation im Gegenüber ausgelöst hat, damit man so etwas vermeiden kann.

Wenn mir meine Wirkung bewusst ist, kann ich sie also auch steuern?

Ja, man kann üben, seine Wirkung zu steuern. Das funktioniert vor allem mit Körpersprache. Da gibt es ganz einfache Tricks: Man kann sich beispielsweise vorstellen, dass man zwischen den Schulterblättern Flügel hat – riesige Schwingen, die weit über die Seiten des Körpers hinausgehen – und dann muss man sich vorstellen, dass diese Flügel weit geöffnet sind und dann gehen. Beispielsweise an einem Bahnhof kann man dann sehr genau beobachten, dass diese Vorstellung Einfluss auf die eigene Präsenz hat, denn die Menschen werden einem mehr ausweichen. Man kann also seine körperliche Präsenz allein durch die eigene Vorstellung erweitern. Das machen Theaterschauspieler auch, um die Bühne mit ihrer Präsenz zu füllen.

Wie präsent ich bin oder nicht, liegt oft an meiner inneren Haltung gepaart mit meiner Körpersprache: Ob ich mich vorlehne, zu jemandem hinwende oder mich aber zurücklehne, entfaltet Wirkung und bedeutet etwas für mein Gegenüber.

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Wie kann ich üben meine Wirkung auf andere zu steuern?

Wichtig ist erstmal, dass man viel übt und mit dem Üben nicht erst anfängt, wenn man in eine Situation gerät, die einen einschüchtert oder bestimmte Verhaltensweisen auslöst. Wenn ich meine Wirkung trainiere, sollte das immer in einem geschützten Rahmen sein. Beispielsweise mit Freundinnen oder Kolleginnen kann man trainieren und sich auch ausprobieren. Man kann bestimmte Haltungen einnehmen und dann direkt fragen: Wie wirke ich jetzt oder so auf euch?

Jeder kann so für sich herausfinden, was für ihn eine gute Gestik und Haltung ist, mit der er sich wohlfühlt und bei der das Gegenüber sagt, das wirkt glaubhaft, präsent und professionell.

Was ist mit dem „Sei du selbst“-Mantra? Korrumpiert eine optimierte Außenwirkung nicht meine Authentizität?

Also wenn man sich komplett verstellen muss, ist man generell im falschen Umfeld. Aber man muss natürlich auch zwischen privater und beruflicher Person unterscheiden. Das sind zwei unterschiedliche Perspektiven und auch zwei unterschiedliche Facetten. Du musst beispielsweise nicht alles von deiner privaten Person bei der Arbeit zeigen können. Letztendlich geht es nur darum, was einem wichtig ist. Ich habe zum Beispiel irgendwann gemerkt, dass Fröhlichsein und Lachen zu mir gehören und das hat mir in meiner Karriere sicher auch nicht geschadet. Natürlich gab es am Anfang die Situation, dass mich andere unterschätzt haben. Als einzige Frau in einer Männerwelt, blond und lachend und freundlich – da meinte schon der ein oder andere, ich solle ihm doch mal Kaffee holen. Aber in solchen Situationen muss man dann gegensteuern und auf eine gute Art und Weise klarstellen, dass man seinen Platz am Tisch absolut verdient hat und auch einfordert.

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Wie kann ich etwas einfordern? Mit welcher Haltung frage ich am besten nach einer Gehaltserhöhung oder einer Beförderung?

Gehaltsgespräche sind ganz normale Gespräche mit meinem Chef – und mit dieser Haltung sollte ich sie auch angehen. Das muss nichts Verbissenes, Schwieriges oder Komisches sein. Über Gehalt muss gesprochen werden wie auch über andere Dinge gesprochen wird. Wenn ich mit dieser Haltung reingehe, wird mein Chef weder Unterwürfigkeit wahrnehmen noch Verbissenheit: Ich kenne meinen Marktwert, ich weiß, was andere in diesem Job verdienen, ich kenne meine Leistung und ich habe meine Erfolge des letzten Jahres aufgeschrieben – ich bin gut vorbereitet und gehe in ein ganz normales Gespräch mit meinem Chef. Mit dieser Haltung ist ein positives Ergebnis des Gesprächs sehr viel wahrscheinlicher, als wenn ich mit Angst oder einer Bitt-Haltung reingehe – denn das strahle ich dann ja auch aus.

Wie kann ich Aufmerksamkeit einfordern, wenn ich zum Beispiel nicht zu Wort komme?

Der oft schlechteste Weg ist, dass man sagt „Lass mich mal aussprechen“. In dem Moment ist man schon in der Defensive. Man sollte besser seine Körpersprache einsetzen: Indem man beispielsweise mal ruckartig den Stuhl verrückt oder indem man sich deutlich über den Tisch beugt. Man kann auch aufstehen und zu einem Flipchart oder etwas Ähnlichem gehen. Dadurch irritiert man kurz, gewinnt aber auch Aufmerksamkeit. Nonverbale Kommunikation ist sehr wirkungsvoll und oft stärker als verbale.

Kann ich durch Signale meines Gegenübers meine Außenwirkung einschätzen und mein Verhalten gegebenenfalls anpassen?

Ein gutes Gespräch ist immer zur Hälfte Senden und zur Hälfte Empfangen. Bewerbungsgespräche werden beispielsweise in der Regele positiv bewertet, wenn beide Seiten einen ungefähr gleichen Redeanteil hatten. Und so muss ich auch, wenn ich rede oder eine Präsentation halte, darauf achten, was mein Gegenüber an mich sendet: Wirkt er gelangweilt, genervt und abweisend oder zuckt er manchmal, als wolle er widersprechen – all das sieht man einem Menschen ja an. Man sieht alles, vor allem, wenn man frühzeitig übt zwischen Senden und Empfangen hin- und herzuspringen. Man geht zu einem anderen Thema über, wenn jemand gelangweilt wirkt oder fragt nach, um auf einen möglicherweise gedachten Widerspruch zu reagieren. Man kann, indem man beobachtet und nicht nur immer sendet, sondern auch gezielt empfängt, unglaublich gut lernen, seine eigene Wirkung zu steuern.

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Hast Du Tipps für Bewerbungsgespräche?

Auch hier ist die innerliche Haltung entscheidend. Man sollte sich vor einem Bewerbungsgespräch ganz genau überlegen: Mit welcher Haltung gehe ich rein? Ich gehe selbstbewusst rein, ich weiß, was ich kann, ich denke im Vorfeld noch mal gut über meine Stärken nach – ich besinne mich auf das, was mich im Positiven ausmacht – so gehe ich mit einer guten Haltung in ein Gespräch.

In puncto Bewerbungsgespräche höre ich von Frauen ganz oft: „Hoffentlich nehmen die mich.“ – Wenn ich mit einer „Hoffentlich nehmen die mich“-Haltung in so ein Gespräch gehe, befinde ich mich von Anfang an auf einer Position der Schwäche. Und mein Gegenüber spürt sofort, wenn ich in einer bittstellenden Haltung den Raum betrete. Wenn ich aber mit dieser Haltung reingehe: Der Job ist auf den ersten Blick sehr interessant und ich kann mir vorstellen, dass ich da gut drauf passe, aber ich möchte jetzt mehr erfahren, um auch für mich entscheiden zu können „Das ist der richtige Job für mich“ – dann gehe ich auf Augenhöhe in das Gespräch und das strahle ich dann auch aus. Unsere Gedanken bestimmen ganz massiv unsere Wirkung, denn unsere Gedanken bestimmen unsere Körpersprache und die macht nun mal ungefähr 80 Prozent unserer Wirkung aus.

Wie wichtig sind mein Outfit und mein äußeres Erscheinungsbild für meine Wirkung auf andere?

Kleidung spielt sehr stark in das Gesamtkonzept, das wahrgenommen wird. Natürlich können wir versuchen mit unserer Kleidung eine bestimmte Wirkung zu erzielen – das funktioniert allerdings nur, wenn die Kleidung zum Rest von uns passt. Außerdem kann Kleidung uns ein Gerüst geben. Wenn man zum Beispiel nervös ist, sollte man nichts anziehen, das auch noch unbequem ist. Man sollte etwas anziehen, in dem man sich sicher fühlt – dann ist Kleidung sowohl Wirkungshelfer nach außen als auch ein Helfer für uns nach innen.

Kleidung ist aber in erster Linie für einen ersten Eindruck entscheidend: Wenn wir länger mit jemandem in einem Raum sind oder eine Person länger kennen, dann tritt es irgendwann vollkommen in den Hintergrund, was sie anhat. Aber gerade für einen ersten Eindruck oder in wichtigen Situationen, kann ich natürlich auch mit meiner Kleidung eine Botschaft senden.

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Hast Du noch einen letzten Tipp, wenn ich jetzt denke: „Ich will an meiner Wirkung arbeiten!“

Geh ohne Angst an das Thema ran! Es soll Spaß machen und wir können uns alle da kontinuierlich verbessern. In der verbalen und nonverbalen Kommunikation ist halt entscheidend, was beim Empfänger ankommt. Besinnen wir uns darauf, dann macht es uns und auch unserem Gegenüber, beruflich wie privat, einiges leichter.

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