Neuer Renten-Ärger: Was der Boomer Soli wirklich bedeutet
Der „Boomer Soli“ soll mehr Geld in die Rentenkassen spülen. Was hinter dem Vorschlag steckt – und wer mehr zahlen muss.

Wie kann die Rente finanziell so aufgestellt werden, dass sie für alle reicht? Eine mögliche Lösung schlägt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) vor: Wohlhabende Renter*innen sollten für finanziell schwächere Ruheständler mehr bezahlen. Das Modell wird als „Boomer Soli“ bezeichnet. Was dahinter steckt, wer zur Kasse gebeten wird und wer mehr Geld bekommt, erklären wir in diesem Artikel.
Was ist der "Boomer Soli"?
Die Babyboomer-Generation geht in Rente, was ein finanzieller Kraftakt für die Rentenkasse bedeutet. Daher schlagen Wirtschaftsforscher am DIW vor, dass reichere Rentner*innen einen Solidaritätszuschlag (umgangssprachlich „Soli“) für ärmere zahlen. Daher der Begriff „Boomer Soli“.
Zur Erinnerung: Die Boomer-Generation umfasst die Menschen, die zwischen 1950 und 1964 geboren wurden. Der Begriff „Babyboomer“ bezieht sich auf die stark gestiegene Geburtenrate zwischen den Jahren 1950 bis 1964. Bis zu 1,2 Millionen Geburten pro Jahr gab es in diesem Zeitraum. Der Höhepunkt wurde 1964 erreicht; diese Generation wurde 2024 sechzig Jahre alt.
"Boomer Soli": Warum? Das sind die Hintergründe
Hintergrund des Vorschlags ist die Belastung des Rentensystems durch die alternde Bevölkerung, denn viele Menschen der Boomer-Generation (vor allem die Jahrgänge 1950er und 60er) gehen in den nächsten Jahren in Rente. "Wenn alle Babyboomer im Ruhestand sind, wird das Rentensystem noch deutlich stärker unter Druck kommen als bisher", sagte DIW-Forscher Peter Haan der Tagesschau.
Auf einen Rentner, der 1962 geboren wurde, kommen sechs Beitragszahler. Zehn Jahre später waren es vier und heute (2023) sind es nur noch zwei Beitragszahler, die die Rente eines Menschen abdecken müssen – und das ist die jüngere Generation („GenZ“) der nachfolgenden Jahrgänge. Der Steuerexperte des Instituts, Stefan Bach, sagte der Tagesschau: "Es wäre nicht fair, die anstehenden Lasten des demografischen Wandels vor allem den jüngeren Generationen aufzubürden."
Weil viele „Boomer“ Erwerbslücken haben, fällt die Rente oft klein an aus. Laut Statista gelten in Deutschland rund 18 Prozent der Menschen ab 65 Jahren als armutsgefährdet. Nach der Definition des Statistischen Bundesamts bedeutet das, dass eine Person über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens (Medianeinkommen) verfügt. Für das Jahr 2022 lag diese Schwelle beispielsweise bei etwa 1.314 Euro netto im Monat laut dem Statistischen Bundesamt.
Das derzeitige Rentenniveau (was ohnehin schon zu wenig ist) kann nur bis 2031 garantiert werden, die Bevölkerung wird aber immer älter. „Menschen, die angewiesen sind auf die gesetzliche Rente für die Sicherung ihres Lebensstandards, laufen auf eine unsichere Zukunft zu“, sagte Maximal Bresch vom DIW der Tagesschau. Daher bestünde das Risiko für eine Altersarmut.
Boomer Soli: Wer muss zahlen und wie hoch sind die Abgaben?
Das DIW sieht in ihrem Konzept eine Abgabe von zehn Prozent auf alle Alterseinkünfte wie die gesetzliche Rente, Betriebsrenten und Pensionen vor. Die Abgabe würde nur fällig, wenn der festgesetzte Freibetrag von 1.000 Euro monatlich überschritten würde. Eine Variante sieht zudem die Besteuerung von Vermögenseinkünften vor. Erwerbseinkommen sollen nicht belastet werden.
Die Abgabe von zehn Prozent würde an ärmere Rentner verteilt werden, was konkret bedeutet:
Das Einkommen des Fünftels mit der niedrigsten Rente steigt um zehn Prozent an.
Das nächste Fünftel bekommt 2,3 Prozent mehr Einkommen.
Boomer-Soli: Das spricht gegen den Vorschlag der DIW
Würde das Konzept des DIW umgesetzt werden, bedeutet das für die Mehrheit der Rentner weniger Geld:
Für die Mitte wären das Minus ein Prozent,
für das nächste Fünftel Minus 2,5 Prozent
und für das letzte Fünftel Minus drei Prozent.
Das sagen CDU und SPD zum Boomer-Soli
CDU und SPD sehen das Konzept kritisch. Bernd Rützel von der SPD bezeichnet die Rente als "keine Sozialleistung“, sondern Versicherungsleistung. „Die Menschen haben jahrelang gearbeitet und eingezahlt. Die Boomer jetzt auszuspielen als die Generation, die jetzt am Ende eines langen Marathonlaufes ihr Preisgeld jetzt auch noch hergeben soll, an irgendwelche anderen – das ist nicht gerecht.“
Stefan Nacke von der CDU sieht eine Schnellschraube im späteren Renteneintrittsalter. „Ja, die Baby-Boomer-Generation müsse sich auch beteiligen – aber anders als beim vorgeschlagenen "Boomer-Soli"", so der Abgeordnete. Nacke sieht es als Aufgabe der aktuellen Regierung an, „dass Menschen möglichst lang im Arbeitsmarkt bleiben – möglichst das Renteneintrittsalter erreichen und nicht vorzeitig in den Ruhestand gehen (...) und so für die nächsten 15 Jahre an allen Stellen so nachzusteuern, dass das System stabil bleibt.“
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, bemerkt noch einen anderen Ansatz: "Statt über einen Renten-Soli zu sprechen, wäre eine gerechte Beteiligung der Superreichen an der Finanzierung des Sozialstaats das Gebot der Stunde", sagte Bentele der Augsburger Allgemeinen. Dies könne in Form von solidarischen Abgaben auf Vermögen und Erbschaften umgesetzt werden, so Verena Bentele.
Außerdem kritisiert Bentele: „Wer wenig verdient, krank ist, Angehörige pflegt oder Kinder großzieht, zahlt im heutigen Rentensystem doppelt: erst mit einer lückenhaften Erwerbsbiografie - und dann mit einer mageren Rente.“
Aktivrente und Frühstartrente statt Boomer-Soli
Derzeit plant die Regierung eine „Aktivrente". Die sieht vor, dass Rentner*innen bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei dazuverdienen könnten. Für jüngere Generationen ist die "Frühstartrente" geplant. Laut Koalitionsvertrag von Union und SPD soll jedes Kind vom 6. bis zum 18. Lebensjahr, das eine Bildungseinrichtung in Deutschland besucht, ab dem 1. Januar 2026 monatlich zehn Euro vom deutschen Staat bekommen. Das Geld soll in ein Altersvorsorgedepot fließen.
Dass die Koalition dem Vorschlag des DIW zum „Boomer Soli“ zustimmt, ist eher unwahrscheinlich. Doch das Konzept zeigt, wie wichtig und unumgänglich eine Umstrukturierung des Rentensystems ist.
Eine von der Regierung beauftragte Expertenkommission soll laut Bayerischem Rundfunk nächstes Jahr zusammenkommen, um an Lösungen zu arbeiten.
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