Familie

„Ich wünschte, du wärst tot...“ - wenn Kinder ihren Eltern den Tod wünschen

"Ich wünschte du wärst tot!". Diesen Satz hört wohl fast jedes Elternteil mal vom eigenen Kind. Doch was steckt wirklich hinter dieser Aussage? Wir klären auf.

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"Ich wünschte, du wärst tot!" Dieser Satz trifft, gerade, wenn er vom eigenen Kind kommt, besonders hart. Du fühlst dich verletzt, weißt nicht, wie du reagieren sollst und fragst dich, was dein Kind dazu bewegt hat dich aus seinem Leben zu wünschen. Wir haben Dr. med. Gaby Wiltfang, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Oberberg Fachklinik Marzipanfabrik gefragt, was hinter dieser Aussage stecken könnte und zeigen, wie du mit dieser emotional aufgeladenen Situation umgehen kannst.

"Ich wünschte, du wärst tot": Was bewegt Kinder dazu das zu sagen?

Du hattest gehofft, dass du von Respektlosigkeiten und viel Konfliktpotenzial bis zur Pubertät deines Kindes verschont bleiben würdest. Doch dann passiert es: Dein Kind schleudert dir Wut entbrannt "Ich wünschte du wärst tot!" entgegen. Wie wohl jeder Mensch bist du nun verletzt, tief traurig und fragst dich was du falsch gemacht haben könntest. Was bewegt dein eigenes Kind dazu dir den Tod zu wünschen und ist ihm bewusst, dass es dich damit verletzt?

Natürlich ist jedes Kind und jede Familie anders und genauso individuell können die Gründe für das Verhalten deines Kindes sein. Trotzdem haben wir Dr. Wiltfang gebeten, uns einige mögliche psychologische Ursachen zu nennen, die eine Erklärung für das Verhalten deines Kindes sein könnten.

Laut Medizinerin können ganz unterschiedliche Aspekte beim Kind die mögliche Ursache für Sätze wie „Ich wünschte, du wärst tot“ eine Rolle spielen:

Häufig ist ein ausgeprägtes Überforderungserleben Teil der Ursache solcher Reaktionen, so Dr. Wiltfang. Innerhalb dieser Überforderungssituationen ist es zunächst wichtig zu verstehen, woraus die Überforderung resultiert. Ist das Kind mit den eigenen Emotionen, wie beispielsweise, seiner Wut und Angst überfordert? Oder mit der Interaktion auf Beziehungsebene zu den Eltern oder Geschwistern.

„Häufig ist ein ausgeprägtes Überforderungserleben Teil der Ursache solcher Reaktionen“
Dr. med. Gaby Wiltfang
Dr. med. Gaby Wiltfang
Dr. med. Gaby Wiltfang Chefärztin und Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und -psychosomatik Foto: Fred Willenbrock

Laut Kinder- und Jugendpsychiaterin, versuchen Kinder oft mit Aussagen wie „Ich wünschte, du wärst tot“ unbewusst im Gegenüber eine maximale emotionale Reaktion zu erzeugen.

Sie versuchen Grenzen aufzuzeigen und ihre Ablehnung deutlich zu machen. Dahinter steht allerdings häufig der verzweifelte Wunsch nach Zuwendung und Nähe und eine Emotionalität im Gegenüber zu spüren.

Fällt der Satz "Ich wünschte du wärst tot." gegenüber Geschwistern, könnte die Ursache eine Geschwisterrivalität sein. Denn Rivalität und Neid unter Geschwistern können emotional belastend und sich ebenfalls überfordernd auswirken.

Deshalb benötigen Kinder elterliche Unterstützung und Zuwendung, wenn neue Geschwister in die Familie kommen und sich das gewohnte Familienumfeld verändert.

„Kinder versuchen oft mit Aussagen wie 'Ich wünschte, du wärst tot' unbewusst im Gegenüber eine maximale emotionale Reaktion zu erzeugen.“
Dr. med. Gaby Wiltfang

Wie reagierst du am besten, wenn dein Kind dir den Tod wünscht?

Klar, spürst du im ersten Moment einen Stich im Herzen, wenn dir ein lieber Mensch solch harte Worte an den Kopf wirft. Und gerade vom eigenen Kind möchte man diesen Satz nun wirklich nicht hören und ist emotional getroffen.

Doch statt als Elternteil mit eigener Kränkung und Verunsicherung zu reagieren solltest du versuchen die Aussage nicht zu konkret zu hören, rät Dr. Wiltfang.

Im ersten Schritt ist es wichtig, gemeinsam mit dem Kind die Auslöser für die Aussage „Ich wünschte, du wärst tot“ zu verstehen. Manchmal benötigen Kinder eine Art Übersetzung für mögliche Ursachen und den damit zusammenhängenden Gefühlen.

"Wenn wir dem Kind mit Einfühlungsvermögen begegnen, kann man gemeinsam versuchen zu verstehen, wofür der Satz gerade steht und Ausdruck welchen Gefühls ist. Im Alter 6-8 Jahren haben Kinder bereits ein übergeordnetes Verständnis zum Thema Tod. Man kann dem Kind auch eigene Gefühle mitteilen. Dass solche Sätze traurig machen, da sie - als Eltern - das Kind lieb haben und verstehen möchten, warum es so verzweifelt ist.", empfiehlt Dr. Wiltfang

Grundsätzlich ist es demnach wichtig mit dem Kind, zu einem gemeinsamen Verständnis der Hintergründe und möglicher Belastungsfaktoren hinter solchen Aussagen zu erlangen.

„Gemeinsam versuchen zu verstehen, wofür der Satz gerade steht und Ausdruck welchen Gefühls ist.“
Dr. med. Gaby Wiltfang

Was könnte dahinter stecken, wenn dein Kind dir wiederholt den Tod wünscht?

Obwohl du auf dein Kind eingegangen bist, verwendet es immer noch anderen gegenüber Sätze wie, "Ich wünschte du wärst tot!" und du fragst dich, was noch dahinter stecken könnte und wie du damit umgehen kannst?

Dr. Wiltfang empfiehlt Eltern für den Fall, dass ein Kind wiederholt solche Aussagen tätigt zu versuchen auf die aktuelle Entwicklung und Lebenssituation des Kindes zu blicken. Genauer gesagt, auf mögliche Veränderungen oder erhöhte Anforderungen im Alltag zu achten.

Außerdem kann es hilfreich sein, sich aus der Perspektive des Kindes zu fragen, in wie weit sich beispielsweise Lebensumstände verändert haben, so die Expertin.

Gibt es neue Familienkonstellationen oder Umstände, die dein Kind verunsichern wie zum Beispiel Trennungen oder Erkrankungen? Bestehen Konflikte innerhalb der Familie oder Ausgrenzungen unter der Gleichaltrigen-Gruppe, die zu Frustration, Sorgen und Überforderung führen?

In einigen Fällen kann es hilfreich sein mit psychologischer Unterstützung zu hinterfragen, ob und in weit ein Kind diese Sätze äußert, weil es Unterstützung im Umgang mit Emotionen, Belastungen oder anstehenden Entwicklungsschritten benötigt, empfiehlt die Medizinerin.

„Bestehen Konflikte innerhalb der Familie oder Ausgrenzungen unter der Gleichaltrigen-Gruppe, die zu Frustration, Sorgen und Überforderung führen?“
Dr. med. Gaby Wiltfang

Kinder können ihre Gefühle oft noch nicht so gut in Worte fassen wie Erwachsene, deswegen ist es wichtig immer im Dialog zu bleiben. Manchmal reicht schon die tägliche Frage: Wie geht es dir? Was beschäftigt dich? Hattest du einen guten Tag?

Artikelbild und Social Media: fizkes / iStock, Fred Willenbrock