Psychische Krankheiten

Leidet mein Kind an Schizophrenie?

Ist mein Kind schizophren? Die psychische Krankheit wird oft mit einer gespaltenen Persönlichkeit gleichgesetzt. Doch es gibt viel mehr Symptome, die auf Schizophrenie hindeuten.

Video Platzhalter
Video: Glutamat

Schizophrenie ist eine Erkrankung der Psyche. Je früher die Psychose erkannt wird, desto besser sind die Behandlungschancen. Doch wie fühlt es sich an, schizophren zu sein? Wie erkennt man, ob das eigene Kind, der Partner oder Freunde an Schizophrenie leiden? Laut des Forschungsverbundes Kompetenznetz Schizophrenie erhalten jedes Jahr 13.000 Menschen in Deutschland die Diagnose Schizophrenie.

Alles über die Symptome, Ursachen und Heilungschancen der psychischen Charakterstörung.

Was ist Schizophrenie?

Die Bezeichnung Schizophrenie kommt aus dem altgriechischen und bedeutet soviel wie zerspaltene Seele. Schizophrenie ist eine Psychose, die in der Regel schleichend beginnt. Ist Schizophrenie einmal ausgebrochen, kann die Krankheit schubweise (häufig) oder aber auch chronisch (seltener) verlaufen.

Dabei kann ein Schub einige Wochen bis mehrere Monate andauern. Ist eine akute Episode abgeklungen, kann es einige Monate oder sogar Jahre (!) dauern, bis der nächste Schub aufkommt.

Der erste Schub entsteht häufig zwischen dem 15. und dem 25. Lebensjahr oder ab dem 70. Lebensjahr. Tritt er erst nach dem 40. Lebensjahr auf, spricht man von Spätschizophrenien. Auch können Kinder ab dem 8. Lebensjahr an Schizophrenie erkranken. Bei Kindern vor dem Schulalter ist Schizophrenie kaum zu diagnostizieren, da bei ihnen jene Fähigkeiten, die zur Diagnose nötig sind, noch nicht ausreichend entwickelt sind (z.B. Sprech- und Denkvermögen).

Schizophrenie kann im Selbstmord enden. Etwa 10 bis 15 Prozent aller Erkrankten begehen Suizid.

An welchen Symptomen erkenne ich schizophrene Kinder?

Die Diagnose von Schizophrenie ist kompliziert. Nicht zuletzt, weil die Ausprägung der Symptome stark von der Persönlichkeit des Kindes abhängt. Zudem können die Anzeichen variieren.

Schizophrenie beginnt bei Erwachsenen wie Kindern mit sogenannten Frühsymptomen. Dazu gehören beispielsweise Schlafstörungen oder depressive Verstimmungen. Mit zunehmender Krankheitsdauer treten weitere Symptome auf.

Unterschieden wird zwischen Positivsymptomen (auch Plussymptome genannt), Negativsymptomen (auch: Minussymptome) und kognitiven Symptomen. Unter den Positivsymptomen versteht man Übersteigerungen des normalen Erlebens (bis hin zu Halluzinationen). Unter Negativsymptomen versteht man dagegen Einschränkungen des normalen Erlebens (bis hin zur Apathie).

Positivsymptome von Schizophrenie:

  • inhaltliche Denkstörungen (z.B. Wahn)
  • Ich-Störungen (z.B. Gedankeneingebung und -entzug)
  • Sinnestäuschungen, Realitätsverlust
  • motorische Unruhe
  • Halluzinationen (z.B. Stimmen hören)

Negativsymptome von Schizophrenie:

  • mangelnde Gefühle in der Wahrnehmung und im Erleben
  • wenig differenzierte Sprache
  • Desinteresse an anderen Menschen
  • Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen
  • Teilnahmslosigkeit (Apathie)
  • mangelnde Fähigkeit, Freude, Genuss, Lust zu empfinden
  • Antriebsarmut (bei Aktivitäten)
  • defizitäre Zukunftsplanung, Perspektivlosigkeit
  • motorische Defizite (z.B. mangelnde Mimik und Gestik, sodass der Betroffene abweisend wirkt)

Kognitive Symptome von Schizophrenie:

  • mangelnde Aufmerksamkeit
  • Probleme bei der Planung von Handlungen
  • schlechtes Gedächtnis

Kognitive Symptome können im Krankheitsverlauf zu kurzschrittigem Denken führen. Das bedeutet, das betroffene Kind kann Zusammenhänge nicht mehr richtig begreifen. Auch das Schreiben von Texten mit Kausalverkettungen fällt dem Betroffenen schwer. In extremen Fällen kann es zu sogenannter Perseveration führen, also des Wiederholens eines bestimmten Wortes oder Gedankens.

Wie fühlt sich ein Schizophrener?

Ein Kind, das an Schizophrenie erkrankt, leiden zunächst an Schlafstörungen. Seine Stimmung ist gedrückt, Ängste werden immer dominanter. Schizophrene sind oft davon überzeugt, in Sachen verwickelt zu sein, die für andere nicht nachvollziehbar sind. Darunter fällt beispielsweise auch Verfolgungswahn.

Helene B., inzwischen Künstlerin, die selbst an Schizophrenie erkrankt ist, beschreibt: "Der Betroffene merkt, dass sich etwas verändert hat. Er hat vielleicht Körpergefühle, die er zuvor noch nie hatte, etwa wie wenn eine Sonde in sein Gehirn brennt. Nachts schreckt er aus einem unruhigen Schlaf auf und kann nicht mehr einschlafen. Seine Gedanken rasen, die normale Außenwelt verändert sich in unbegreiflicher Weise. (...) Vielleicht kommt ihm sogar der Gedanke, es könne Schizophrenie sein, aber er wird diese Vermutung weit von sich weisen. Schizophrenie ist etwas, das irgendwelche Exoten haben, aber niemals einen selber treffen kann. (...) Erfahrene Betroffene und ihre Angehörigen berichten, dass sie Jahre bis Jahrzehnte brauchten, um zu lernen, mit der Krankheit zu leben."

In einem Fallbeispiel vom Kompetenznetz Schizophrenie erzählt ein weiterer Betroffener, Manfred K.:

"Im Büro (...) hatte ich manchmal das Gefühl, dass über mich getuschelt wurde. Diese Symptome habe ich auch heute noch ab und zu. Dabei werden von mir leise, undeutlich mitgehörte Gespräche inhaltlich so wahrgenommen, dass ich diese negativ auf mich beziehe. Dieses erste Anzeichen war stundenlang vorhanden, um dann wieder wochenlang vollständig zu verschwinden. Dabei fühlte ich mich hilflos, verängstigt und mit dieser Situation vollständig überfordert. Ich habe niemandem davon erzählt aus großer Unsicherheit."

Ein weiteres Beispiel des Betroffenen:

"Eine Zeit lang (...) hatte ich die Phantasie, dass im Nachbarhaus gegenüber von mir hinter der Gardine eine Videokamera aufgestellt war, die unser Schlafzimmer observierte. Was ich tatsächlich erkennen konnte, war eine dunkle, runde Öffnung, vielleicht ein Lampenschirm oder ein anderer Gegenstand. Ich habe jedenfalls das Gesehene umgedeutet. Dabei fühlte ich mich total verunsichert. Ich habe mich wieder keinem Menschen anvertraut, auch meiner Frau nicht. Diese Phantasie war sehr intensiv und hielt stundenlang an. Sie trat sporadisch auf, um dann für immer zu verschwinden."

Weiter erzählt er:

"Ich hatte die Phantasie, dass kompromittierende Fotos von meinem Liebesleben unter Kollegen herum gezeigt wurden und dass darüber getuschelt wurde. Diese Phantasie war schon detaillierter strukturiert. (...) Bei dieser Phantasie fühlte ich mich verunsichert, ja bedroht. Ich war auch mit der Situation vollständig überfordert und habe mich niemandem anvertraut. Ich hatte keinerlei Kenntnisse über Schizophrenie. (...) Parallel zu diesen ersten erwähnten Anzeichen begann ich emotional abzusterben, jeden Tag ein bisschen mehr, ich wurde depressiv. Ich (...) wurde immer wortkarger, sozial zunehmend isolierter und habe mich kaum noch privat unterhalten. (...)  Nach Feierabend habe ich mich zu Hause auf das Sofa gelegt zum Entspannen, weil ich geistig nicht abschalten konnte. Da diese Veränderung schleichend war, habe ich sie selber nicht wahrgenommen. (...) Zu Freizeitaktivitäten war ich nicht aufgelegt bzw. hatte keine Energie dazu. Die Beziehung zu meiner Frau und mir kühlte sich merklich ab, und sie fing an, mir Vorwürfe zu machen, dass ich nicht im Haushalt helfe und mich zu wenig um unsere beiden Kinder kümmere, die damals ein und drei Jahre alt waren."

Wie erkenne ich Schizophrenie bei meinem Kind?

Janine B., Mutter einer schizophrenen Tochter (17), die auf einem Internat in England war, berichtet:

"Stets war meine Tochter eine freundliche und eher schüchterne Schülerin gewesen, doch plötzlich setzte sie sich über Regeln hinweg. Auf Ermahnungen reagierte sie nicht, sondern machte völlig ungestört weiter. Ich war natürlich sauer, aber sie verstand gar nicht, wovon ich und die Lehrer sprachen. (...) Zurück daheim machte ich mir immer mehr Sorgen um sie: Sie war meist müde, bekam nichts geregelt und es häuften sich seltsame Erzählungen und Handlungen. Sie fuhr zum Beispiel zum Flughafen und versuchte nach England zu fliegen, weil sie zum Internat zurück müsse – doch davon war nie die Rede gewesen. Ihr Verhalten entsprach einfach nicht mehr der Realität."

Erst als die Mutter einen befreundeten Arzt um rat fragte, ging sie mit ihrer Tochter in eine psychiatrische Klinik:

"Er ermutigte mich, meine Tochter psychiatrisch untersuchen zu lassen. Schnell war die Diagnose klar. Sie blieb für einige Wochen in einer psychiatrischen Klinik, bis die psychotische Phase wieder abklang."

Seitdem muss die Tochter bei jedem Schub für einige Wochen in die Klinik.

"Anfangs tat sie mir leid, wenn sie in der Klinik war. Es löst damals Grauen in mir aus, wenn man dort etwa zu mir sagte: 'Gehen Sie bitte', weil sie mich nicht erkannte. Oder wenn meine Tochter fragte, ob ich Leute beauftragt hätte, ihr Böses zu tun. Aber ich habe gelernt, dass die Psychiatrie für meine Tochter ein Ort sein kann, um Ruhe zu tanken. (...) Ein psychotischer Schub kann abgewendet werden, wenn man früh genug Stress herausnimmt und spezielle Medikamente gibt – sonst dauert er Wochen. Aber in unserer Gesellschaft haftet der Psychiatrie leider immer noch ein schlechtes Image an und so finden viele lange nicht den Weg dort hin."

Symptome von Schizophrenie ähneln der Pubertät

Janine B. erzählt, wie ihre Tochter glaubte, andere leute redeten und lachten über sie. Sie fühlte sich ständig beobachtet und hing alle Poster von der Wand ab, weil sie dahinter Kameras vermutete. Janines Tochter war panisch, ängstlich und niedergeschlagen, sie zog sich zurück. Angehörigen von schizophrenen Kindern rät die Mutter:

"Man sollte so weit wie möglich an der Normalität festhalten. Ich denke, liebevolles Fördern ohne zu überfordern ist extrem wichtig, sonst sitzen Betroffene alleine zuhause rum und grämen sich, dass ihnen keiner mehr etwas zutraut oder zumuten will."

Das Problem bei schizophrenen Kindern: Viele anfängliche Symptome der Psychose ähneln den Anzeichen der Pubertät. Lustlosigkeit, Desinteresse, Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit und mangelnde Zukunftsplanung sind Beispiele dafür. Eine eindeutige Diagnose kann nur ein Facharzt treffen.

Wie entsteht Schizophrenie?

Schizophrenie gilt als endogene Krankheit. Das heißt, ihr Ursprung liegt im Inneren des jeweiligen Patienten. Äußere Einflüsse scheinen keine Rolle bei der Entstehung dieser Psychose zu spielen. Eine genaue Ursache ist bis heute nicht bekannt.

Zu den Risikofaktoren, an Schizophrenie zu erkranken, gehören Gene, Komplikationen bei der Geburt, emotionale Traumata in der Kindheit, sowie Drogenkonsum und sozialer Stress in der Jugend.

Kann man Schizophrene heilen?

Ist die Diagnose von einem Facharzt gesichert, beginnt häufig eine Therapie mit Antipsychotika. Dadurch klingen zunächst die Halluzinationen und / oder Wahnvorstellungen ab. Die Dosierung des Medikaments wird dabei individuell vom Arzt abgestimmt.

Anschließend unterzieht sich der Patient einer Psycho- oder Soziotherapie, die ambulant erfolgt oder in einer Tagesklinik stattfinden kann. Erfahrungen zeigen, dass die Einbeziehung von Angehörigen den Therapieerfolg unterstützt. "Leben mit der Krankheit bedeutet, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen und gemeinsam Lösungen zu suchen. Wichtig ist hier das Wort 'gemeinsam'. Im Idealfall werden der Betroffene, seine professionellen Helfer und die Angehörigen zu einem Team, das dem Problem der Psychose gemeinsam begegnet", sagt die Betroffene Helene B.

Im Endeffekt werden ein Drittel aller Schizophrenie-Patienten von alleine wieder gesund. Ein Drittel können ihr Leben mit der Krankheit gut meistern. Dem letzten Drittel der Schizophrenen geht es schlecht - wobei eine Therapie die Symptome abmildern kann.

Weitere Informationen Rund um das Thema Schizophrenie findest du HIER.

+++ Suizid-Gedanken? Kreisen deine Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sprich mit anderen Menschen darüber. Hier findet ihr Hilfe: Unter 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 findet ihr kostenfrei Hilfsangebote in vermeintlich auswegslosen Lebenslagen. +++

Auch interessant:

>> Depressionen bei Kindern: Daran erkennst du, dass dein Kind depressiv ist

>> 5 Sätze, an denen du erkennst, dass es deinem Kind nicht gut geht

>> 7 Verhaltensweisen, mit denen Eltern die Psyche ihrer Kinder prägen

>> Selektiver Mutismus bei Kindern: Wenn Kinder zu sehr schweigen

>> Verbale Gewalt: 9 Sätze, die Eltern nicht zu ihren Kindern sagen sollten

>> Dein Kind ist aggressiv? So reagierst du richtig

>> 11 Dinge, die ein Kind seinen Eltern nie verzeihen wird

>> Nachtschreck: Wenn Kinder im Schlaf plötzlich schreien und weinen