Längerer Pollenflug

Haben Allergien zugenommen? Die Antwort & was dir nachhaltig gegen Heuschnupfen hilft

Gibt es heutzutage mehr Allergien als früher? Ein Experte hat unsere Fragen beantwortet und erklärt, warum die richtige Behandlung so wichtig ist.

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Allergien gibt es viele verschiedene. Wer sich umschaut, hat oft das Gefühl, dass es heute mehr allergische Reaktionen gibt als früher. Aber ist das wirklich so?

Wir haben mit Prof. Dr. Thomas Fuchs von der Universitätsmedizin Göttingen & Pressesprecher des Ärzteverbands Deutscher Allergologen (AeDA) darüber gesprochen, wie dieser Eindruck entsteht und warum es so wichtig ist, allergischen Schnupfen, umgangssprachlich als Heuschnupfen bekannt, richtig zu behandeln.

Gibt es eine Zunahme von Allergien? Die ehrliche Antwort!

Man könnte meinen, dass immer mehr Menschen um einen herum eine Allergie entwickeln – auch erst im Erwachsenenalter. Doch dieser Eindruck täuscht, wie Professor Fuchs sagt: „Grundsätzlich gibt es keine große Zunahme, auch nicht bei allergischen Reaktionen an den oberen und unteren Atemwegen, wie dem sogenannten Heuschnupfen.“ Dieser habe aber ein ohne Frage sehr hohes Niveau, viele Millionen Menschen in Deutschland seien betroffen. Aktuelle Zahlen beruhten allerdings auf mehr oder weniger eindeutigen Statistiken, eine klare Aussage dazu könne nicht getroffen werden.

Der Eindruck entstehe vermutlich auch durch andere Faktoren, wie er erklärt: „Zugenommen hat die Wahrnehmung in den Medien und in den vergangenen Jahrzehnten wurden häufiger Untersuchungen durchgeführt.“ Die Thematik ist also schlicht präsenter als früher – und wir selbst dadurch einfach mehr sensibilisiert.

Pollenallergie: Wie sich Heuschnupfen im Laufe der Jahre entwickelt

Kaum beginnt der Frühling, startet für viele die Heuschnupfen-Zeit. Was oftmals als nervige, aber letztlich ungefährliche Erkrankung abgetan wird, ist für Betroffene allerdings kein Spaß. „Heuschnupfen – besser gesagt allergischer Schnupfen, allergisches Asthma oder allergische Bindehautentzündung des Auges – ist keine banale Erkrankung, bei der Sie nur zu einer bestimmten Zeit im Jahr ein wenig Juckreiz in der Nase und Schnupfen bekommen“, warnt der Experte.

Es beginnt demnach oft in der Kindheit, mit der Zeit nehmen die Symptome zu und verschwinden wieder von selbst – oder es entwickle sich weiter zu Asthma: „Darunter werden Probleme wie Luftnot und schweres Atmen beim Treppensteigen verstanden. Ein schwerer Asthmaanfall kann aber auch zum Tod führen, in der Fachsprache Status asthmaticus genannt. Daher sollte die Erkrankung ernst genommen werden.“

Wie schon erwähnt, kann die Pollenallergie nach einer gewissen Zeit auch verschwinden. Das trüge allerdings, wie der Allergologe zu bedenken gibt: „Es scheint zwar oft so zu sein, dass es sich zunächst erst einmal bessert, aber später wieder vermeintlich neu entsteht.“

Auch dadurch kann also der Eindruck entstehen, dass die Häufigkeit von Allergien zunimmt – obwohl sie eigentlich früher schon einmal dagewesen ist.

Warum die Bezeichnung Heuschnupfen eigentlich falsch ist

Umgangssprachlich ist die Bezeichnung Heuschnupfen weit verbreitet und wird in der Gesellschaft vornehmlich für die Beschreibung der allergischen Erkrankung der oberen Atemwege genutzt. Das ist allerdings nicht ganz richtig, wie unser Experte erklärt.

„Heu an sich macht nicht krank, sondern Schimmelpilzsporen im Gras bzw. Heu sowie freigesetzter Blütenstaub. Diese können eine allergische Reaktion auslösen.“

Darum plädiert Professor Dr. Fuchs dafür, von allergischem Schnupfen, allergischem Asthma oder einer allergischen Bindehautentzündung des Auges zu sprechen.

Welche Pollen in Deutschland vorkommen & wie das Allergen bestimmt wird

Allergischer Schnupfen wird nicht bei allen Menschen von denselben Pollen ausgelöst. Die Allergene, die dafür verantwortlich sind, kommen in verschiedensten Pollen vor, wie uns der Experte erläutert. Dabei spielen vor allem einheimische Pflanzen eine Rolle, aber ein kleiner Teil der allergischen Reaktionen wird auch durch Neophyten, also ursprünglich nicht heimische Pflanzen, ausgelöst.

Einheimische Pollen

„Die gewöhnlichen Pollen, die hierzulande vorkommen, sind Haselpollen, Erlenpollen, Birkenpollen und Graspollen, aber auch die genannten Schimmelpilzsporen“, so der Allergologe. Dies zu diagnostizieren, sei wichtig.

Birkenpollen werden von einer blühenden Birke geweht (Themenbild)
Birkenpollen sind besonders aggressiv und häufig für allergischen Schnupfen verantwortlich (Themenbild) Foto: MirekKijewski/iStock

Aggressive Ambrosia

Es gebe zudem neue, wichtige Allergene wie Ambrosia, einem Beifußgewächs, das in Südosteuropa schon lange bekannt sei, aber auch in Brandenburg und Berlin für Probleme gesorgt habe. Mit Blick auf die Entwicklung dazu betont Fuchs aber auch: „Das ist ein sehr aggressives Allergen, aber glücklicherweise ist es in letzter Zeit etwas ruhiger darum geworden.“

So wird das Allergen bestimmt

Die Erkrankung der Pollenallergie zeige sich zunächst an einem Schnupfen, der jährlich zur Blütezeit der entsprechenden Pflanze wiederkehre. „Hier ist die Diagnostik beim Allergologen oder der Allergologin wichtig“, sagt Professor Fuchs. Das können Ärzte oder Ärztinnen aus verschiedenen Fachbereichen, wie z. B. Dermatologie oder Pneumologie, sein. „In Städten mit einer Uniklinik gibt es meist auch Allergiezentren, wo eine solche Untersuchung veranlasst werden kann.“

Im Rahmen der Diagnostik werde festgestellt, auf welche Pollen die Person allergisch reagiere. Aktuell seien dies u. a. Birkenpollen – und das Problem beschränke sich nicht nur auf die ohnehin schon sehr unangenehme Inhalationsallergie: „Bei jedem zweiten Pollenallergiker kommt eine Nahrungsmittelallergie als Kreuzallergie hinzu. Diese wird ausgelöst durch Proteine, die sowohl in den Blütenstäuben als auch in den Nahrungsmitteln vorkommen.“

Bei einer Birkenpollenallergie seien das u. a. Nüsse, Kern- und Steinobst wie Kirschen, Pfirsiche, Äpfel oder Birnen. „Der Hinweis ist besonders wichtig. Meist beginnt es harmlos mit einem Kitzeln im Rachen, bei Äpfeln und Nüssen auf der Zunge. Plötzlich wird die Zunge aber sehr groß, verlegt die Atemwege und die Betroffenen ersticken.“ Hier sei sofortiges Handeln angesagt. Es sollte der Notruf gewählt werden, anwesende Ärztinnen oder Ärzte könnten auch direkt nach einem geeigneten Zugang für die Atemluft suchen.

Die genaue Diagnose durch Allergologen sei daher besonders wichtig, außerdem könne eine genaue Beratung erfolgen. Was die Betroffenen daraus machten, liege allerdings im Bereich der Eigenverantwortung.

„Wenn die Diagnose getroffen ist, wird meist ein Kortisonspray oder ein Antihistaminikum verordnet“, so Fuchs. Diese Sprays trocknen die Nasenschleimhaut aus und bremsen so die Entzündungen. Die Anwendung erfolge zweimal am Tag.

Frei verkäufliche Mittel

Viele Menschen behandeln ihren Heuschnupfen in der für sie relevanten Pollenflugphase allerdings lieber mit frei verkäuflichen Produkten aus der Apotheke. Diese versprechen schnelle Linderung, sind aber eher nicht empfehlenswert.

Der Allergologe betont die Gefahr von Nebenwirkungen: "Bei Antihistaminika ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie müde machen, außerdem können Herz-Rhythmus-Störungen auftreten. Daher sind eine fachliche allergologische Beratung und eine gute Medikation so wichtig.“

Allergenspezifische Immuntherapie

Doch auch mit Kortison lasse sich die Krankheit nicht auf Dauer lösen. Das Spray helfe nur, dass es bspw. für einen gewissen Zeitraum keine Probleme gebe, gehe aber die Krankheit an sich nicht an. „Dazu wird eine allergenspezifische Immuntherapie (früher Hyposensibilisierung) benötigt. Betroffene brauchen aber Geduld, denn sie dauert ca. 3-4 Jahre.

Dabei werde das Allergen entweder als Extrakt gespritzt oder als Tablette geschluckt. Das bringe zwar keine sofortige Besserung, führe aber nach Abschluss im darauffolgenden Jahr oder darüber hinaus zu einer signifikanten Verbesserung.

Asthmatische Beschwerden seien so weitestgehend verhinderbar, erklärt uns Professor Dr. Fuchs. „Die Besserung hält zwischen 3 bis 10 Jahren an, die genaue Dauer lässt sich nicht vorhersagen. Danach ist eine Wiederholung notwendig, aber auch eine neue Diagnostik.“ So könne der Status quo bestätigt oder ein weiteres Allergen identifiziert, das ebenfalls eine allergische Reaktion bei den Betroffenen auslöse. Daraufhin könne die Medikation angepasst werden

Sporen- & Pollenallergien: Besondere Risiken

Sind Pollen und Sporen von Schimmelpilzen in Massen unterwegs, reagieren Betroffene darauf mit Symptomen des allergischen Schnupfens. Dabei gibt es einige Situationen, die du selbst im Griff hast und ändern könntest.

Schimmel in der Wohnung

Schimmelpilze in der Wohnung, die durch Feuchtigkeit im Badezimmer oder durch falsches Lüften im Schlafzimmer entstehen können, sind ein großes Problem und können Allergien auslösen. „Schimmelpilzsporen sind immer da, aber sie sind kontrollierbar“, so der Experte.

Wir verraten dir, wie du Schimmel im Bad richtig entfernen kannst und was du gegen Schimmel im Kühlschrank machen kannst.

Leben an der Durchgangsstraße

„In der Stadt sind mehr Leute als auf dem Land betroffen. Dazu gibt es viele wissenschaftliche Daten“, weiß der Allergologe. „Verstärkt betroffen sind Menschen, die in erster Reihe an vielbefahrenen Straßen wohnen – insbesondere, wenn dort Birken oder Zedern stehen. Zweitere sind aber eher in Japan ein Problem.“ Wie kommt es dazu?

Durch Umwelteinflüsse wie Abgase werden diese Pollen offenbar aggressiver. Das Allergen wird freigesetzt, haftet sich an den Feinstaub der Abgase und gelangt so in die tieferen Atemwege. „Das zeigt, wie unsere Umwelt uns krank machen kann – und dabei spielen Autoabgase eine wesentliche Rolle“, so Fuchs. Das belaste neben den dort Wohnenden auch Menschen beim Radfahren oder beim Joggen – also jene, die besonders tief einatmen.

Pollen am Boden

Regen wäscht die Pollen aus der Luft und macht den Betroffenen das Leben leichter, was zunächst auch nicht ganz falsch ist. Allerdings liege hier auch ein Irrtum vor, betont Fuchs: „Die Luft ist nach einem Schauer zwar rein, aber die Entzündung und die Symptome sind weiterhin vorhanden“, berichtet der Professor. „Sobald es trocken ist und die Pollen vom Boden durch Wind und Fahrzeuge wieder aufgewirbelt werden, atmen wir diese abermals ein.“

Es gibt viele Orte, an denen sich Pollen verstecken können - hier ein Überblick.

Klimawandel

Die Vegetationsphasen haben sich durch die Klimaerwärmung verlängert – sie fangen früher an und hören später auf. „Man hat das Gefühl, dass es ständig blüht. Haselsträucher blühen im Dezember und im Januar, im Februar beginnen die Erlen. Einen richtigen Winter gibt es eigentlich nicht mehr“, erklärt Professor Fuchs.

Wo es länger wächst und blüht, gibt es auch längere Flugzeiten der Gräserpollen und Schimmelpilzsporen und damit eine veränderte Heuschnupfen-Saison.

Allergischer Schnupfen: Was getan wird & welche Probleme es gibt

Eine allergische Reaktion auf Pollen und Schimmelpilzsporen ist eine ernstzunehmende Krankheit. Doch daneben gibt es Entwicklungen, die vielleicht Hoffnung geben, um die Betroffenen weniger zu belasten. Leider gibt es auch das Gegenteil.

Allergenarme Landschaftsplanung

Auf dem eigenen Balkon kannst du mit der Pflanzenwahl nicht viel bewirken, denn die Pollen kommen auch mit dem Wind, wenn dein Balkon vermeintlich allergiefreundlich bepflanzt ist.

Aber „in der Landschaftsplanung wäre es sicherlich besser, auf Bäume wie Birken komplett zu verzichten“, meint der Experte. „Diese sind mit ein Grund dafür, warum es überhaupt so viele Birkenpollenallergiker und -allergikerinnen gibt“, so Fuchs.

Untersuchungen in Berlin und an anderen Orten hätten gezeigt, dass eine bewusste Bepflanzung mit allergiearmen Bäumen durchaus hilfreich sein könne: „Unkritische Bäume, mit denen es kaum allergiebezogene Probleme gibt, sind Kastanien, Weiden oder Linden.“

Allergenarmes Obst

Es machen Nachrichten die Runde, dass es bald neue, allergiefreundliche Apfelsorten geben soll. Sie sollen zumindest bei leichten und mittelschweren Allergien besser verträglich sein. Was meint der Facharzt?

„Bei neuartigen Apfelsorten, die jetzt auf den Markt kommen und die für Allergiker und Allergikerinnen geeignet sein sollen, bin ich skeptisch. Es gibt zwar Sorten, die besser verträglich sind als andere, aber den einen allergenarmen Apfel gibt es nach meiner Kenntnis noch nicht.

Das hänge in erster Linie von den Wuchsbedingungen ab, also Sonnenscheindauer und Feuchtigkeit. Das entscheide, welche Allergenität die Frucht hat. „Dass es in naher Zukunft einen Apfel gibt, der Birkenpollenallergikern keine Probleme bereitet, schließe ich aus. Mit Mus oder gedünstetem Obst hingegen werden Betroffene keine Probleme haben.“

Bei Nüssen kann die Allergenität durch Backen oder Kochen zwar verlorengehen, aber darauf gibt es keine Garantie.

Lieferengpässe

Ein Problem besteht allerdings in der Lieferbarkeit von Diagnostik- und Therapielösungen, aber auch Bluttests. Das führt zu Problemen bei der Behandlungsqualität.

„Da ist der Bedarf viel höher als das Angebot. Das zieht sich durch alle Firmen, die diese Produkte anbieten und führt dazu, dass wir den Betroffenen nicht in jedem Fall sagen können, welches Allergen ihnen Probleme bereitet“, erklärt Professor Dr. Fuchs. Betroffen davon seien nicht nur seltenere Allergene wie Ambrosia oder Mehlstaub, sondern auch häufige Allergene wie Katzenhaare.

Patientinnen und Patienten hätten zwar einen Anspruch darauf, umfassend behandelt zu werden mit dem Ziel, gesund zu werden, aber das könne aufgrund dessen aktuell nicht immer geleistet werden. Es könne häufig nicht zweifelsfrei gesagt werden, welches Allergen die Symptome auslöse.

„Ich wünschte mir, dass wir die Betroffenen so behandeln könnten, wie diese es zurecht erwarten, aber das können wir aktuell sehr häufig nicht. Das ist ausgesprochen unbefriedigend“, so sein Fazit der aktuellen Situation.

Zur Person

Professor Dr. Thomas Fuchs
Professor Dr. Thomas Fuchs Foto: Professor Dr. Thomas Fuchs

Professor Dr. Thomas Fuchs ist Facharzt für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Universitätsmedizin Göttingen und außerplanmäßiger Professor für Dermatologie und Venerologie an der Universität Göttingen. Er ist langjähriges Mitglied und Pressesprecher des Ärzteverbandes Deutscher Allergologen e.V (AeDA).

Wir danken dem Ärzteverband für die Vermittlung.

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