Beziehung

„Bei jedem Streit denke ich an Trennung“- Das kannst du tun

Du liebst deine*n Partner*in und trotzdem denkst bei jedem Streit an eine Trennung? Woran das liegt und was du tun kannst – vom Experten erklärt.

„Bei jedem Streit denke ich an Trennung“- Das kannst du tun
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Du bist in einer glücklichen Beziehung und eigentlich ist alles gut. Nur, wenn ihr streitet, schleichen sich bei dir immer wieder aufs Neue die Gedanken an eine Trennung ein.

Woran es liegt, dass du bei jedem Streit ans Schluss machen denkst, was du tun kannst, um dir über deine Gefühle Klarheit zu verschaffen und wie du Trennungsgedanken loswerden kannst - Wir haben Dr. med. Nils Bindeballe, Chefarzt der Oberberg Fachklinik Potsdam die wichtigsten Fragen gestellt.

Lese-Tipp: Trennung trotz Liebe: Was tun? Expertin gibt Rat

Warum denke ich bei jedem Streit an Trennung?

Eines vorweg: Auf Augenhöhe ist Streit in der Beziehung wichtig. Denn nur auf diese Weise lernen Paare ihre Grenzen kennen, finden heraus, was die*den Partner*in bewegt und können Kompromisse und Lösungen schaffen. Grundsätzlich ist konstruktives Streiten in einer Beziehung also gesund.

Auch verhält es sich so, dass je länger eine Partnerschaft besteht, desto mehr Konflikte können sich aufbauen. Gerade in Ehen oder in langjährigen Beziehungen können sich aber auch tiefergehende Probleme in Streitigkeiten über Haushalt und Co. äußern.

Daher solltest du genauso in Betracht ziehen, dass in deiner Beziehung echte Probleme bestehen und die Trennungsgedanken möglicherweise ein berechtigtes Warnsignal sind.

Erfahre hier die Anzeichen, an denen du erkennst, dass deine Beziehung am Ende ist.

Was ist aber, wenn man bei jedem Streit direkt an Trennung denkt, obwohl die Beziehung doch gut läuft? Dr. Bindeballe erklärt die möglichen Gründe dahinter wie folgt: 

Gefühl der Hilflosigkeit bewältigen

„[Das] kann aus einer erlebten Hilflosigkeit in diesem Moment resultieren. Das in Aussichtstellen einer Trennung verschafft in gewisser Weise Handlungsspielraum, ist eine Art Bewältigungsmodus.

Das kann gerade dann vorkommen, wenn sich in einer Partnerschaft beidseitig Unsicherheiten angesammelt haben, zum Beispiel aufgrund von mangelnder Kommunikation und Transparenz.“

Lies hier wie du die Paarkommunikation in deiner Beziehung verbessern kannst.

Streitverhalten der Eltern übernommen

„Bei einem solchen Verhalten kann es sich um ein erlerntes Reaktionsmuster handeln, das hier aktiviert wird. Zum Beispiel, wenn dieser Umgang mit Streit in der Partnerschaft von den eigenen Eltern vorgelebt worden ist, das wäre ein sogenanntes Modelllernen.

Steht keine oder eine nur unzureichende alternative, hilfreiche Bewältigungsstrategie zur Verfügung, kann es zu ebensolchen Trennungsgedanken kommen.“

Vermeidung von Schmerz

„Es handelt sich dabei um einen sogenannten (dysfunktionalen) Vermeidungsmodus: Um sich auf einen möglichen Verlust vorzubereiten und einen möglichen Schmerz zu vermeiden, spricht man selbst den Trennungsgedanken aus.“

Weitere mögliche Gründe, die hinter deinen Trennungsgedanken stecken können, können sein:

Unrealistisches Idealbild einer Beziehung

Du nimmst dir andere Beziehungen als Messlatte oder vergleichst deine eigene gar mit Film-Romanzen oder dem digitalen Liebesleben von Influencer*innen?

Das kann unrealistische Erwartungen an die Liebe schüren und zeichnet ein inakkurates Bild davon, wie eine Beziehung ‚zu sein hat‘. Was wiederum den eigenen Trennungsgedanken befeuern kann.

Externe Belastungen

Sei es durch die Schwiegereltern oder andere Dritte: Dauerhafter Gegenwind, der auf die Beziehung einwirkt, kann sich über kurz oder lang auch in Zweifeln an der Partnerschaft und nicht zuletzt in Trennungsgedanken äußern.

Zu viel oder zu wenig Freiraum

Braucht jemand mehr Freiraum als sein*e Partner*in, kann es sein, dass der Wunsch nach Distanz als Zurückweisung interpretiert wird. Fühlst du dich von vornherein von deiner*m Partner*in abgelehnt, ziehst du vielleicht lieber selbst schon gedanklich den Schlussstrich.

Lies auch: Emotionale Nähe in der Beziehung - Ist meine Partnerschaft erfüllt?

Trotz Liebe: Wenn man ständig an Trennung denkt…

Doch wieso bin ich so - Wieso stelle ich immer wieder meine ganze Beziehung in Frage, wenn ich meine*n Partner*in doch liebe, fragst du dich? Dr. Bindeballe erklärt das Phänomen folgendermaßen:

„Grundsätzlich gehen evolutionspsychologische Theorien davon aus, dass das menschliche Gehirn eher „defizitorientiert“ angelegt ist und der Mensch deshalb gut darin ist, Risiken und Fehler (auch beim Gegenüber) zu sehen […].

Darüber hinaus kann mangelndes Vertrauen generell in […] Beziehungen aufgrund von Prägungen eine Ursache sein. Zum Beispiel, wenn man in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht hat, verlassen zu werden.

Der Trennungsgedanke, selbst wenn man den Partner liebt, kann dann eine Art "Schutz" im aktuellen Streitprozess darstellen, vergleichbar einer zu sensibel oder zu scharf eingestellten Alarmanlage.“ und weiter

„Eine weitere Möglichkeit ist, dass die betroffene Person der Annahme ist, etwas "Gutes“ nicht verdient zu haben. Besteht diese Grundannahme und kann in krisenhaften Situationen aktiviert werden, kann das dem Weiterführen einer Beziehung im Weg stehen.“

Liegt es am Ende am geringen Selbstbewusstsein, wenn ich bei Streit über eine Trennung nachdenke?

Geringes Selbstbewusstsein ist gerade bei Frauen, aber auch bei vielen Männern keine Seltenheit. Nicht schön genug, nicht liebenswert genug – der ständige Selbstzweifel kann sich selbstverständlich auch auf die Beziehung auswirken und Ängste schüren, du seist es ‚nicht wert‘ geliebt zu werden.

Nichtsdestotrotz betont Dr. Bindeballe, es muss nicht bedeuten, dass du am Ende nicht selbstbewusst genug bist. Der Psychiater führt weiter aus:

„Obgleich auch mangelndes Selbstbewusstsein dazu beitragen kann, dass ich an der Beziehungsqualität oder an meinem Wert für meine Partnerin oder meinen Partner zweifle.

In Betracht kommt bei allen möglicherweise bestehenden eigenen Mustern natürlich immer auch, dass die Beziehung tatsächlich nicht gesund ist und eine ‚gesunde Reaktion‘ auf eine große Belastung gezeigt wird. Dies sollte individuell berücksichtigt und überprüft werden.“

Ist es ‚normal‘ in einer Beziehung an Trennung zu denken?

Kommen Trennungsgedanken in einer Beziehung einfach mal vor oder fehlt etwas ganz Essenzielles? Kann sich zu wenig Perspektive in der Partnerschaft oder andere unerfüllte Bedürfnisse, in Gedanken an Trennung zeigen – gerade in emotionalen Streit-Situationen?

Laut Dr. Bindeballe „sind Konflikte und Zweifel in Beziehungen grundsätzlich normal. Denn es kommt bei den Menschen und in der Lebensumwelt kontinuierlich zu Veränderungen. Sie fallen manchmal nicht auf, erfordern aber oft „Kurskorrekturen“.“

Mehr noch betont der Mediziner: „Wichtig ist es, genauer zu betrachten,wie man mit Konflikten oder der Tatsache, dass bei der Partnerin oder dem Partner gerade Veränderungen stattfinden, umgeht.

Es ist ja immer sinnvoll, sich in gewissen Abständen Gedanken über die eigene Beziehung zu machen – was man in ihr finden kann und was man für sie tun kann. Weniger sinnvoll ist es, sich erst bei einem Streit oder Konflikt diese Gedanken zu machen.“

Nichtsdestotrotz, so Dr. Bindeballe, „kann es durchaus sein, dass bestimmte Bedürfnisse in der Beziehung nicht erfüllt werden.

Lies mehr über Erwartungen an die Beziehung und wie sie Liebe und Partnerschaft zerstören oder stärken können.

Trennungsgedanken loswerden – Tipps vom Experten

„Gedanken sind nicht wahr, nur weil wir sie denken.“
Dr. med. Nils Bindeballe

„Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, mit belastenden Gedanken umzugehen.“, so der Experte. Wie du die Gedankenspirale stoppen und negative Gedanken loswerden kannst, liest du zum Beispiel hier bei uns.

Das Wichtigste laut des Facharztes ist aber: „Vor allem darf aber in jedem von uns das Bewusstsein reifen, dass das bloße Vorhandensein eines Gedankens nichts bedeuten muss. Gedanken sind sozusagen nicht wahr, nur weil wir sie denken. Sie erhalten Macht, wenn wir ihnen Bedeutung verleihen.

Achtsamkeit kann helfen, das eigene Denken als Prozess betrachten zu lernen, unsere Bewertungen zu erkennen und so Abstand und Freiheit zu gewinnen.“ und weiter: „Wichtig in einer Beziehung ist es auch, transparent zu sein, korrigierende Beziehungserfahrungen zu machen und alternative Verhaltensfacetten (zum Beispiel Bedürfnisse ansprechen) auszuprobieren, damit ich den Trennungsgedanken nicht mehr als Bewältigungsmuster brauche.“

Im Streit mit Trennung drohen – was es mit deiner*m Partner*in macht

Gedanken an eine Trennung sind das eine, wenn du während eines Streits mit einer Trennung drohst, gehst du einen Schritt weiter.

Laut Dr. Bindeballe steckt neben den oben genannten Gründen, hinter einer ausgesprochenen Trennungsdrohung ein gewisser „Bemüh dich um mich“ Gedanke. Der Experte spricht von einem „Bewältigungsmuster“, das im Streit einsetzt.

Sollte dies bei dir der Fall sein, erreichst du über kurz oder lang genau das Gegenteil. Denn, mit jeder Trennungsandrohung, zerstörst du immer ein Stück weit mehr die Sicherheit, die Stabilität und die Bindung, die in einer Beziehung essenziell sind.

Statt Nähe aufzubauen und Konflikte in einem sicheren Rahmen zu lösen, erschütterst du direkt eure ganze Liebe, indem du sie insgesamt in Frage stellst.

Was das in deiner*m Partner*in auslöst? Dr. Bindeballe erklärt, „dass es möglich ist, dass sich die Partnerin oder der Partner durch solche Drohungen unter Zugzwang gesetzt fühlt, und sich zu Handlungen veranlasst sieht, hinter denen er/sie nicht wirklich steht, die also nur zur Konfliktentschärfung kurzfristig wirksam sind, langfristig aber sogar die Beziehung mehr gefährden können.“

Weiter betont der Fachmann „Sofern Drohungen ohne Konsequenzen bleiben, verlieren sie ihre Wirkung. Für die Partnerin oder den Partner werden Sie vermutlich zunehmend unglaubwürdig. Hier kommt es auch auf die jeweiligen Muster des Gegenübers an.

Es kann sein, dass das Verhalten ggf. Ängste oder Traurigkeit hervorruft und daraus resultierend Nähe geschaffen werden möchte. Aber auch entgegengesetzte Reaktionen sind möglich wie "auf Abstand gehen" – je nachdem wie die Partnerin oder der Partner wiederum mit "Ablehnung" umgeht.“

Im Video siehst du 7 Beweise, dafür, dass deine Beziehung dich unglücklich macht:

Video Platzhalter
Video: ShowHeroes

Trennungsgedanken – Wann du sie ernst nehmen solltest

Obwohl Zweifel an der Beziehung völlig normal sind und es laut unseres Experten sogar gesund und sinnvoll ist, sich von Zeit zu Zeit Gedanken über diese zu machen, ist es dennoch möglich, dass dir dein Bauchgefühl unterbewusst sagt, dass deine Beziehung dich kaputt macht. Wir haben Dr. Bindeballe gefragt, wann du deine Trennungsgedanken ernst nehmen solltest:

„Man sollte hier in einem geeigneten Moment eine gesunde Erwachsenenperspektive zum eigenen Bewältigungsmodus in einer Streitsituation einnehmen und für sich selbst analysieren, ob es sich bei den Trennungsgedanken um etwas "Altes", Erlerntes, handelt und ob diese Gedanken der Situation angemessen sind oder nicht.“

Trennung im Streit - Sinnvoll oder besser nicht?

Was passiert, wenn es nicht bei einer Trennungsandrohung bleibt und man sich in einem Streitgespräch tatsächlich trennt?

Ist das eine zu leichtfertig getroffene Entscheidung, die man lieber fällen sollte, wenn sich die Gemüter wieder beruhigt haben, oder spricht man in dem Moment eben nur das aus, was schon lange in einem selbst gebrodelt hat?

Dr. Bindeballe nennt den entscheidenden Faktor: „Wenn der Entschluss schon vor dem Streit feststand, spricht nichts gegen eine Trennung im Streit, dann kann der Streit sogar einen vielleicht nötigen Impuls geben.

Normalerweise sollte man bei einem Streit Trennungsgedanken nicht folgen, denn ein Streit kann ein wertvoller Anlass sein, die Beziehung mit Erwartungen, Handlungen, eigenen Gestaltungsmöglichkeiten neu zu justieren und wieder auf Kurs zu bringen.“

Dr. med. Bindeballe - Foto: Oberbergkliniken
Zum Experten

Dr. med. Nils Bindeballe ist Chefarzt und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Er ist ausgebildeter Kognitiver Verhaltenstherapeut, hat breite Kenntnisse in den Verfahren der sog. Dritten Welle (IPT, CBASP, DBT, Schematherapie) und ist Supervisor für Verhaltenstherapie (IFT München). Zuletzt war Dr. Bindeballe leitender Oberarzt der Oberberg Fachklinik Berlin/Brandenburg in Wendisch Rietz.

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