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Schluss mit toxischer Positivität: Mit diesen Tipps kannst du dein Mindset nachhaltig ändern

Positive Gedanken? Ja. Aber ausschließlich?! Nein! Wieso toxische Positivität schädlich ist.

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Gedanken haben eine große Wirkung. Wer stets negativ eingestellt ist, dem fällt es schwerer zu erkennen, wenn etwas Gutes im Leben passiert. Mit einer positiven Denkweise lebt es sich besser und glücklicher. Ja, ABER…

Wer denkt, alles positiv sehen zu müssen, läuft Gefahr, sich in einem zwanghaften Optimismus zu verlieren. Im Interview verrät die psychologische Beraterin Dr. Ulrike Strohscheer, was hinter dem Begriff „toxische Positivität“ steckt, wieso dieses Verhalten so gefährlich ist und wie du es stattdessen schaffst, dein Mindset nachhaltig positiv zu verändern.

Toxische Positivität: Das steckt dahinter

Toxische Positivität beschreibt „das Verdrängen bzw. Leugnen unangenehmer oder schmerzhafter Emotionen wie z. B. Wut und Trauer und die gleichzeitige permanente Bestrebung, alles positiv sehen zu wollen – egal, wie schlimm oder belastend die Umstände tatsächlich sind. Alles, was unangenehme Gefühle auslösen könnte, wird von sich gewiesen.“, erklärt Expertin Dr. Ulrike Strohscheer.

Wer „toxisch positiv“ ist, versucht also krampfhaft alles positiv zu sehen. Doch manchmal gibt es Lebensumstände und -situationen, die schlichtweg nicht positiv sind. Ist es nicht trotzdem bewundernswert, wenn man auch dann versucht, optimistisch zu bleiben?!

Dr. Ulrike Strohscheer
Foto: Dr. Ulrike Strohscheer

Was macht die toxische Positivität gefährlich bzw. schädlich?

Dr. Ulrike Strohscheer: „Nicht gefühlte Gefühle ergreifen Besitz von uns. Wenn wir schmerzhafte Emotionen unterdrücken oder verleugnen, können wir sie nicht verarbeiten. So kann sich immer mehr aufstauen, bis wir unsere Gefühle nicht mehr unter Kontrolle haben und dann im schlimmsten Fall die Steuerungsfähigkeit verlieren und vielleicht ‚ausrasten‘. Nicht verarbeitete belastende Emotionen können dazu führen, an einer Depression zu erkranken oder unter einer körperlichen Störung zu leiden.

Außerdem haben Gefühle wie Angst, Wut und Ekel eine Schutzfunktion. In gesundem Maße sichert z. B. Angst das Überleben, indem sie daran hindert, sich in Gefahr zu begeben. Wut macht nicht nur angriffs- und verteidigungsbereit, sondern kann auch eine Triebfeder für Veränderungen sein. Ekel schützt davor, verdorbene Nahrungsmittel zu konsumieren oder sich anderweitig von etwas oder jemandem fernzuhalten. Wer diese Gefühle ignoriert, läuft Gefahr, Schaden zu nehmen.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass toxisch positive Menschen nicht nur eigene Gefühle verleugnen, sondern ihren Mitmenschen gleichzeitig den Eindruck vermitteln, ihre als ‚schlecht‘ gegeißelten Gefühle seien falsch. Das kann dazu führen, dass solche Emotionen aus Scham nicht mehr geteilt werden. Doch gerade das Teilen ist wichtig für die Bewältigung dieser Gefühle.“

Toxische vs. gesunde Positivität: Bis zu welchem Grad ist positives Denken sinnvoll?

Negative Gefühle immer zu unterdrücken, ist also weder zielführend noch gesund. Doch der Umkehrschluss ist nicht automatisch, dass positives Denken schlecht ist. Nur eben in gesunden Rahmen.

Doch wo hört gesunde Positivität auf und fängt toxische Positivität an und wie erkennt man den Unterschied?

Dr. Ulrike Strohscheer: „Toxische Positivität fängt da an, wo alles, was als unangenehm/schmerzhaft/negativ empfunden wird, verleugnet oder unterdrückt wird.

Im Unterschied dazu bedeutet gesunde Positivität, das Negative wahrzunehmen und sich dessen Existenz einzugestehen, aber gleichzeitig zu versuchen, auch im Schlechten etwas Gutes zu sehen und, so banal es klingt, ‚das Beste daraus zu machen‘.

Menschen mit einer gesunden Positivität machen sich nicht zum Opfer der Umstände, sondern nehmen aktiv Einfluss auf ihr Leben und auf alles, was sie verändern können. Gleichzeitig sind sie sich darüber bewusst, dass es auch Dinge gibt, auf die sie keinen Einfluss haben, und dass es nicht immer an ihnen und ihrem Mindset liegt, wenn Unerwünschtes geschieht.“

Die richtige Balance: Wie du positive und negative Emotionen in dein Leben integrierst

Wie in so vielen Bereichen unseres Lebens kommt es auch hier auf die richtige Balance an. Alle Emotionen haben ihre Berechtigung. Und das macht das Leben schließlich auch aus.

„Wichtig ist, sich nicht nur einseitig mit dem Positiven oder dem Negativen auseinanderzusetzen, sondern beidem Raum zu geben. Dabei ist es hilfreich, den Fokus stärker auf das Positive zu richten – aber eben nicht ausschließlich.“
Dr. Ulrike Strohscheer

Gibt es Tipps, um die verschiedenen Emotionen gleichermaßen und in einem gesunden Rahmen in das eigene Leben zu integrieren?

Dr. Ulrike Strohscheer: „Belastende Gefühle können verarbeitet werden, indem man z.B. darüber spricht oder schreibt und sie dadurch wahrnimmt. Dazu bieten sich sowohl Gespräche mit Vertrauten als auch ein Tagebuch an.

Beim Journaling können Gefühle verarbeitet werden. Erfahre mehr darüber, wie Schreiben dir dabei hilft.

Umgekehrt können die guten Gefühle intensiviert und verfestigt werden, indem man sich aktiv mit ihnen auseinandersetzt. Die Beschäftigung mit den eigenen Emotionen ist also in jedem Fall nützlich.

Wichtig ist jedoch, sich nicht nur einseitig mit dem Positiven oder dem Negativen auseinanderzusetzen, sondern beidem Raum zu geben. Dabei ist es hilfreich, den Fokus stärker auf das Positive zu richten – aber eben nicht ausschließlich.

Wer sich davor fürchtet, sich mit unangenehmen Gefühlen auseinanderzusetzen, dem hilft folgender Tipp: Es reichen 90 Sekunden, um dieses Gefühl wahrzunehmen und dabei zu verfolgen, wie es sich anfühlt, und wo man es im Körper spürt.

Die biochemische Reaktion, die im Zusammenhang mit einer Emotion wie Wut erfolgt, braucht ca. 90 Sekunden, um den Körper zu durchlaufen. Danach ist die Welle abgeklungen. Wenn das jeweilige Gefühl länger andauert, liegt das daran, dass wir es durch unsere Gedanken aufrechterhalten und dadurch für immer neue körperliche Reaktionen sorgen.

Um sich nicht überfluten zu lassen, ist es sinnvoll, nach 90 Sekunden bewusst zu unterbrechen und auf die Gedanken zu achten, damit das belastende Gefühl eben nicht aufrechterhalten wird.

Begleitend ist es zum Beispiel empfehlenswert, EFT (Klopfakupressur) anzuwenden, während man sich auf ein unangenehmes Gefühl konzentriert. Dadurch lässt sich die emotionale Belastung gut regulieren.“

Toxisch positive Menschen: Wie du mit ihnen umgehst

Wenn du dich einer Person mit negativen Gedanken und Gefühlen anvertraust und du merkst, dass diese toxisch positiv darauf reagiert, also deine Bedenken klein redet und von dir verlangt, dass du die Dinge positiver sehen solltest, dann kannst du folgendes tun:

  • Erkläre der Person, dass es gute Gründe gibt, warum du so denkst und fühlst, wie du es tust.

  • Kommunikation: Teile der Person in Ich-Botschaften mit, was du dir von ihr wünschen würdest. Z. B. „Ich wünsche mir, dass du mir mit mehr Verständnis begegnest. Im Moment kann ich XY nicht positiv sehen. Ich habe mich dir anvertraut, weil ich mir wünsche, dass du für mich da bist, ohne etwas an der Situation zu ändern…“

  • Gehe als gutes Vorbild voran und reagiere offen und verständnisvoll, wenn jemand Sorgen und negative Gedanken mit dir teilt. Du kannst zum Beispiel sagen: „Danke, dass du dich mir anvertraust. Es tut mir leid, dass es dir so schlecht geht. Möchtest du mir mehr darüber erzählen? Ich möchte gerne verstehen, wie du dich fühlst. Ich bin für dich da. Gibt es etwas, was ich tun kann, um dich zu unterstützen? …“

„Es ist wichtig, sich nicht von toxisch positiven Menschen beeinflussen zu lassen. Sobald uns suggeriert wird, wir würden ‚falsch‘ denken oder fühlen, weil wir eben auch Negatives ansprechen, sollten wir uns abgrenzen.“, erklärt Dr. Ulrike Strohscheer.

„Wir sollten uns immer wieder bewusst machen, dass die eigenen Gefühle nichts sind, dessen wir uns schämen müssen. Sobald uns aber dieser Eindruck von einem Mitmenschen vermittelt wird, ist es ratsam, sich andere Personen zu suchen, denen wir uns vollumfänglich anvertrauen können, ohne abgelehnt oder verurteilt zu werden.“

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Gibt es überhaupt so etwas wie das „richtige“ Mindset?

Dr. Ulrike Strohscheer: „Ein beliebter Begriff im Zusammenhang mit toxischer Positivität ist der des „richtigen“ Mindsets: Es entsteht der Eindruck, dass es ganz einfach sei, die eigenen Gedanken und Lebensumstände zu ändern, indem nur das eigene Mindset, also die Perspektive oder die Lebenseinstellung, hin zum Positiven geändert werden müsse.

Gerade in den sozialen Medien ist der Begriff ‚Mindset‘ mittlerweile allgegenwärtig. Mit dem richtigen Mindset kann man angeblich alles schaffen. Viele selbsternannte Coaches geben Ratschläge und verkaufen Programme, die den schnellen Weg zu Glück und Geld verheißen. Das wird dann zum Beispiel so formuliert: ‚Als ich mein Mindset änderte, änderte sich mein ganzes Leben. Das kannst Du auch!‘

So wird dem Publikum suggeriert, dass es ganz leicht sei, durch ‚gute Gedanken‘ und Affirmationen sein Leben zu verändern.“

Doch ist das wirklich so einfach? Nein, sagt Expertin Dr. Ulrike Strohscheer:

„Wenn einem Menschen vorgeworfen wird, dass er aufgrund eines ‚falschen‘ Mindsets erfolglos, arm, unglücklich oder gar krank ist, schwingt dabei der Vorwurf mit, dass er selbst schuld an seiner Misere sei. Das greift jedoch zu kurz.

Während unsere Lebenseinstellung tatsächlich eine entscheidende Rolle dabei spielt, ob wir glücklich, erfolgreich und gesund sind, ist es ein Irrglaube, dass man diese Einstellung quasi auf Knopfdruck ändern kann: ‚Ab heute denke ich positiv‘/‘Denk dich reich‘/‘Glaube an dich‘ etc. – so einfach ist es leider nicht.

„Für eine nachhaltige Veränderung müssen Verstand und Gefühl im Einklang sein.“
Dr. Ulrike Strohscheer

Wenn wir versuchen, uns über Affirmationen einzureden, dass wir z.B. reich und glücklich sind, während die Realität anders aussieht und wir uns vor allem ganz anders fühlen, erzeugen wir damit lediglich einen inneren Widerstand: Wir nehmen ja wahr, ‚dass das nicht stimmt‘. Dieser Widerstand steht einer Veränderung im Weg.

Wer sich z.B. sagt ‚Ich bin glücklich‘, während er sich hundeelend fühlt, erreicht oftmals das Gegenteil von dem, was er will: Er fühlt sich dadurch nur noch schlechter. Für eine nachhaltige Veränderung müssen nämlich Verstand und Gefühl im Einklang sein.

Dazu müssen wir zunächst unsere aktuellen Gefühle anerkennen und den Dingen auf den Grund gehen. Wir müssen betrachten, warum wir ticken wie wir ticken - und zwar mit Verständnis für unsere Lebensgeschichte und ohne Bewertung.

Es stimmt zwar, dass Jammern und Selbstmitleid uns nicht weiterbringen, weil wir damit die Verantwortung abgeben und uns zum Opfer der Umstände machen, anstatt unser Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Aber diese Zusammenhänge sind vielen Menschen nicht bewusst. Sie haben ihre Denkweise in der Kindheit gelernt und übernommen und ihnen ist nicht klar, dass vieles von dem, was sie als vermeintliche Wahrheit betrachten (z.B. ‚Die Welt ist schlecht‘/ ‚Das Leben ist hart‘), nur ihre subjektive Wahrnehmung ist.

Wenn wir hingegen Verständnis für uns aufbringen und nachvollziehen können, was uns geprägt hat, hören wir auf, uns (bewusst oder unbewusst) für unsere Gedanken und Gefühle anzuklagen. Wir entwickeln ein besseres Verhältnis zu uns und ein positiveres Selbstbild.

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Ein toxisch positiver Mensch wird sich Verletzungen, Trauer, Wut und Schamgefühle nicht eingestehen, sondern alles durch die rosarote Brille sehen. Dadurch fehlt es gerade am nötigen Verständnis und Selbstmitgefühl.“

Gute Gründe für negative Emotionen und Gedanken

Warum denken wir eigentlich wie wir denken?

Dr. Ulrike Strohscheer: „Es gibt zwei Dinge, die wir uns vor Augen führen sollten, wenn es um den Ursprung unserer Gedanken und unserer Lebenseinstellung geht. Zum einen entwickelt sich unser Selbst- und Weltbild in der Kindheit, also zu einem Zeitpunkt, zu dem wir nicht über das Urteilsvermögen verfügen, das wir als Erwachsene haben. Zum anderen gibt es evolutionsbiologische Gründe dafür, ‚negativ‘ zu denken.“

1. Prägung in der Kindheit

„Die Denkweise und die Lebenseinstellung eines Menschen werden maßgeblich in der Kindheit geformt, durch die Erziehung und das Vorbild von Eltern, Lehrkräften und anderen engen Bezugspersonen. Wir orientieren uns daran, was ‚die Erwachsenen‘ sagen und wie sie handeln. Auch bestimmte Erlebnisse in der Kindheit prägen einen Menschen und dessen Weltbild.

Ein Missgeschick im Kindergarten, von anderen ausgelacht, von einem Erwachsenen heruntergeputzt zu werden – diese Dinge formen uns, wenn sie starke Emotionen ausgelöst haben. Solche Situationen speichert das Gehirn ab. Selbst wenn wir nicht mehr daran denken, sind sie im Unterbewusstsein präsent. Unser Unterbewusstsein setzt alles daran, zu vermeiden, dass sich eine ähnliche, als Bedrohung empfundene Situation wiederholt: Es versucht, uns zu schützen.

Kein Wunder also, dass wir es vielleicht vermeiden, vor Publikum zu sprechen oder anderweitig im Fokus der Aufmerksamkeit zu stehen, wenn wir in der Kindheit diesbezüglich eine schlechte Erfahrung gemacht haben.

Ein toxisch positiver Mensch verleugnet all dies. Wenn er die eigene Vergangenheit betrachtet, ist er vielleicht versucht, sie umzudeuten: ‚Ja, meine Mutter hat sich nicht um mich gekümmert – aber das hat mich stark gemacht.‘ Der daraus resultierende Schmerz wird jedoch außer Acht gelassen.“

2. Evolutionsbiologische Gründe für „negatives“ Denken: Negativity Bias

Sogenanntes negatives Denken – also immer mit dem Schlimmsten zu rechnen (auch als ‚Negativity Bias‘ bezeichnet) – ist in bestimmtem Maße in uns Menschen verankert. In unserer Evolutionsgeschichte hat es nämlich das Überleben gesichert: Wer nach möglichen Gefahren Ausschau gehalten hat und auf der Hut war, konnte sich zum Beispiel vor den Angriffen wilder Tiere oder Naturgewalten schützen.

Vorsichtige Menschen hatten also einen Vorteil, haben länger gelebt und ihr Erbgut weitergegeben. Die heutigen Menschen sind die Nachfahren ihrer vorsichtigen Urahnen und haben die Eigenschaft, die Welt nach möglichen Gefahren abzuklopfen, von ihnen geerbt.“

Gesunde Positivität: Mit diesen 5 Tipps kannst du deine Denkweise nachhaltig verändern

„Erst wenn wir uns annehmen können, wie wir sind - ohne uns für unser Denken und Fühlen zu verurteilen – können wir uns auch verändern.

Um eine nachhaltigen Veränderungsprozess in Gang zu setzen, müssen wir herausfinden, was uns geprägt hat und warum wir ticken, wie wir ticken, und Verständnis und Nachsicht für uns und unsere Reaktionen entwickeln.

Wenn wir eine Erklärung dafür haben, warum eine bestimmte Situation z.B. Angst in uns auslöst, fühlen wir uns diesem Gefühl nicht mehr ausgeliefert und können uns besser davon distanzieren.“

Diese fünf Tipps von Dr. Ulrike Strohscheer können dir dabei helfen:

1. Grundüberzeugungen (Glaubenssätze) aufspüren

In unserem Denken und Fühlen werden wir von unseren Grundüberzeugungen – auch als Glaubenssätze bezeichnet – geleitet. Das sind Überzeugungen, die uns selbst, unsere Mitmenschen, die Welt oder das Leben betreffen und die wir so wahrnehmen, als seien sie „die Wahrheit“.

Beispiele:

  • „Das Leben ist ungerecht“

  • „Alles, was ich anpacke, geht schief“

  • „Geld verdirbt den Charakter“

  • „Alle sind gegen mich“

  • „Ich kann nicht gut … (rechnen, reden, Ordnung halten etc.)“

Die größte Schwierigkeit besteht darin, dass wir uns unserer Glaubenssätze meist nicht bewusst sind, sodass wir sie nicht in Frage stellen können. Es gibt jedoch einige Tricks, mit denen man ihnen auf die Spur kommen kann.

Ergänze folgende Sätze und beantworte folgende Fragen:

  • Mein(e) Mutter/Vater/Oma/Opa hat immer gesagt …

  • Diese Redewendungen habe ich in der Kindheit häufig gehört …

  • Ich bin …

  • Das Leben ist …

  • Geld ist …

  • Arbeit ist …

  • Die Liebe ist …

  • Die Welt ist …

  • Immer passiert …

  • Niemals werde ich …

Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen kann zu überraschenden Erkenntnissen führen.

Es gibt übrigens nicht nur negative – also einschränkende – Glaubenssätze, sondern auch positive, die uns bestärken. Dazu gehören Überzeugungen hat wie „Ich bin liebenswert“, „Ich bin ein Glückskind“, „Ich schaffe das“. Wer solche Überzeugungen in sich trägt, hat es meist leichter im Leben.

2. Ursachenforschung: Auslöser finden

Erlebnisse aus der Vergangenheit, auf die wir noch immer körperlich reagieren, wenn wir daran denken, sind emotional aufgeladen. Gerade wenn es sich um Ereignisse aus der Kindheit handelt, kann es sein, dass sie uns geprägt haben, weil wir damals geglaubt haben, etwas über uns oder die Welt gelernt zu haben.

Wenn wir verstehen wollen, warum wir heutzutage in bestimmten Situationen heftig reagieren und ohne erkennbaren Grund intensive Emotionen bei uns ausgelöst werden, ist es aufschlussreich, die Ursache aufzuspüren. Das damit verbundene körperliche Gefühl kann uns den Weg zum Ursprung weisen.

Wenn z. B. jemand etwas sagt, das uns „auf die Palme“ bringt, spüren wir das an unserer körperlichen Reaktion. Vielleicht erhöht sich der Puls, die Hände werden feucht oder wir verspüren Druck im Magen – die Symptome sind bei jedem Menschen anders.

Nun beobachte dieses Gefühl und stelle dir folgende Fragen:

  • Wo spüre ich es im Körper?

  • Wie fühlt es sich an (z.B. drückend, stechend, dumpf)?

  • Hat das Gefühl eine Form oder Farbe?

  • Woher kenne ich dieses (körperliche) Gefühl?

  • Wann hatte ich es zum ersten Mal?

  • An was erinnert es mich?

  • An wen erinnert es mich?

Indem wir das körperliche Gefühl erforschen, fallen uns oft Ereignisse ein, die wir längst vergessen hatten und bei denen es scheinbar keinen Zusammenhang mit dem aktuellen Problem gibt.

Ein Gedanke wie „mir fällt etwas ein, aber das hat wahrscheinlich nichts damit zu tun“ ist übrigens ein Hinweis darauf, dass wir auf der richtigen Spur sind. Es ist nämlich kein Zufall, dass uns plötzlich bestimmte Situationen in den Sinn kommen – das Unterbewusstsein bringt sie an die Oberfläche, wenn sie eine Bedeutung haben.

Die längst vergessene Blamage im Schulunterricht, der Tag, als man die Mutter beim Einkaufen aus den Augen verloren hatte und dachte, sie sei weg, die Stimme von Tante Hilde, die immer so streng war – derartige Ereignisse können ein Kind tief beeindrucken, auch wenn sie heute unbedeutend erscheinen. Und sie können die Erklärung dafür sein, warum wir bestimmte Verhaltensmuster entwickelt haben oder in manchen Situationen immer wieder auf eine scheinbar rätselhafte Weise reagieren.

3. Übung: Sei gut und wertschätzend zu Dir selbst

Die meisten Menschen sind überrascht, wie hart sie mit sich ins Gericht gehen und wie kritisch der innere Monolog ist, wenn sie eine Zeitlang darauf achten, welche Worte und Gedanken sie an sich selbst richten: „Das wird sowieso nichts“ – „Da hast du wieder was falsch gemacht“ – „Du bist viel zu…  - „Stell‘ dich nicht so an“ …  In vielen Fällen ist das der Ton, in dem wir mit uns selbst sprechen – nicht bestärkend, sondern abwertend.

Ein wichtiger Ratschlag ist deshalb: Sprich‘ mit dir, wie du mit deiner besten Freundin sprechen würdest – mit Verständnis, Wertschätzung und Wohlwollen: „Du hast dein Bestes gegeben und das ist genug“ – „Das kriegst du hin“ – „Das hast du gut gemacht“.

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4. Übung: Du bist gut genug

Eine weitere, sehr wirkungsvolle Übung besteht darin, sich täglich mehrmals vor dem Spiegel in die Augen zu schauen und zu sagen: „Du bist gut (genug), so wie du bist“ (oder in der Ich-Form: „Ich bin gut genug, so wie ich bin“.)

Am Anfang fällt es vielleicht noch schwer, aber es wird jedes Mal leichter. Die regelmäßige Wiederholung sorgt dafür, dass wir diese Aussage immer mehr verinnerlichen.

Trotzdem meldet sich in manchen Fällen ein innerer Widerstand dagegen, zum Beispiel in Form einer gemeinen kleine Stimme aus dem Hinterkopf, die sagt: „Das stimmt nicht“.

Diesen Widerstand kann man überwinden und die positive Wirkung der Übung verstärken, indem man auch hier einen Trick aus der Klopfakupressur anwendet: Dabei klopft man den Akupressurpunkt auf der Handkante, während man vor dem Spiegel steht und den o.g. Satz ausspricht. Dieser Punkt befindet sich unterhalb des Knöchels vom kleinen Finger an der äußeren Seite der Hand.

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5. Übung: Den Fokus auf das Gute richten

Indem wir den Blickwinkel ändern, nehmen wir die Dinge anders wahr und können erkennen, dass in allem Schlechten auch etwas Gutes liegt. Dadurch können wir insgesamt eine positivere Lebenseinstellung und Weltsicht gewinnen. Um das zu trainieren, eignet sich die folgende Übung:

  • Denke an eine Person, die du überhaupt nicht leiden kannst. Nenne drei positive Dinge im Zusammenhang mit dieser Person (diese drei Dinge können banal sein) – z.B. ihre Frisur, den Namen, etwas Nettes, das diese Person mal gesagt hat.

  • Denke an eine schwere Zeit in deinem Leben. Nenne etwas Gutes, das damals entstanden ist.

  • Denke an eine unliebsame Eigenschaft von dir. Was ist das Gute daran? Wobei hilft sie dir?

Fazit: Gute Gedanken, aber keine toxische Positivität!

Es bringt nichts, vermeintlich negative Emotionen wie Angst, Wut oder Trauer zu verleugnen. Sie gehören ebenso wie Freude zum Leben dazu. Wer diese Gefühle permanent unterdrückt, kann sie nicht wirklich verarbeiten. Statt alles krampfhaft positiv zu sehen ist es wichtig, anzuerkennen, dass du dich nicht 24/7 gut und glücklich fühlen kannst. Und das ist völlig in Ordnung so!

Jedoch bringt es auch nichts, sich im Schmerz und den negativen Gedanken zu verlieren. Daher lohnt es sich, sich mit den eigenen Gedanken, Glaubenssätzen und Gefühlen auseinanderzusetzen und einen gesunden Umgang zu ihnen zu entwickeln.

Wenn du es schaffst, all deine Gefühle anzunehmen, kannst du dein Mindset nachhaltig verändern und Stück für Stück positiver ausrichten, aber eben ohne alles schön zu reden.

Dr. Ulrike Strohscheer - Foto: Dr. Ulrike Strohscheer

Expertin: Dr. Ulrike Strohscheer

Dr. Ulrike Strohscheer ist psychologische Beraterin und Coach und unterstützt Frauen bei den Themen Selbstvertrauen im Job, Redeangst und Stress. Mehr Informationen unter www.con-fidentia.de.

Artikelbild und Social Media: kieferpix/iStock